SZ + Bautzen
Merken

Prozess um getötete Wiktoria aus Großröhrsdorf beginnt

Ein 15-Jähriger steht jetzt in Bautzen vor Gericht. Er soll die 16-Jährige in Großröhrsdorf getötet haben. Wieso hinter verschlossenen Türen verhandelt wird.

Von Theresa Hellwig
 4 Min.
Teilen
Folgen
Mit vielen Blumen und Kerzen verabschiedeten sich im September 2021 die Menschen in Großröhrsdorf von der getöteten 16-Jährigen. Jetzt steht der Beschuldigte in Bautzen vor Gericht.
Mit vielen Blumen und Kerzen verabschiedeten sich im September 2021 die Menschen in Großröhrsdorf von der getöteten 16-Jährigen. Jetzt steht der Beschuldigte in Bautzen vor Gericht. © Archiv/xcitePRESS

Bautzen. Was sich an diesem Dienstag hinter den schweren Holztüren zu Saal 222 im Landgericht in Bautzen abgespielt hat, dazu lassen sich nur Mutmaßungen anstellen. Ein einfacher Prozessauftakt wird es sicher nicht gewesen sein: Schließlich geht es um den gewaltsamen Tod einer 16-Jährigen – und auf der Anklagebank sitzt ein Teenager.

Mit schweren Stichverletzungen war Wiktoria am Nachmittag des 15. Septembers im vergangenen Jahr in einem Garagenkomplex in Großröhrsdorf aufgefunden worden. Notärzte konnten sie zwar noch reanimieren. Doch das Mädchen aus Lichtenberg starb wenig später im Krankenhaus. Als Tatverdächtigen machten die Ermittler schnell einen 15 Jahre alten Freund der Getöteten aus. Seit diesem Dienstag nun muss sich der Deutsche vor der Jugendstrafkammer des Landgerichts verantworten. Öffentlich ist der Prozess allerdings nicht.

Was wird dem Angeklagten konkret vorgeworfen?

Die Staatsanwaltschaft wirft dem 15-Jährigen vor, die Schülerin am Tattag durch Messerstiche tödlich verletzt zu haben. Der Junge war – wie Wiktoria – Oberschüler in Großröhrsdorf. Ereignet haben soll sich die Tat der Anklage zufolge gegen 15.30 Uhr auf einem Garagenhof an der Sebastian-Bach-Straße in Großröhrsdorf. So viel gibt das Gericht bekannt; nähere Details nennt es nicht. Das Tatmotiv beispielsweise ist unbekannt.

Warum ist der Prozess nicht öffentlich?

Wie das Gericht mitteilt, findet der Prozess unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt, weil der Angeklagte noch Jugendlicher ist. Das sieht das Jugendgerichtsgesetz so vor. Vor Gericht gelten all jene als Jugendliche, die älter als 14, aber noch nicht 18 Jahre alt sind.

"Der Ausschluss der Öffentlichkeit im Jugendstrafrecht soll dazu beitragen, beim Jugendlichen Hemmungen möglichst abzubauen", erklärt Reinhard Schade, Pressesprecher des Landgerichts in Bautzen. Dem Angeklagten solle so die Möglichkeit gegeben werden, sich in der Verhandlung zu öffnen.

Sowohl die Tat als auch die persönliche Entwicklung des Angeklagten sollen hinter verschlossenen Türen besprochen werden, um zu verhindern, dass der Jugendliche stigmatisiert und sein Schamgefühl verletzt wird. So solle dafür gesorgt werden, dass das Verfahren keinen negativen Einfluss auf die Entwicklung und den Reifeprozess des Angeklagten hat. "Der Angeklagte soll nicht unnötig bloßgestellt werden", erklärt Reinhard Schade.

Aber nicht nur die Sorge um das Schamgefühl jugendlicher Angeklagter spiele bei dieser Regelung eine Rolle. "Auf der anderen Seite", erklärt der Gerichtssprecher, "soll sich der Angeklagte nicht als im Mittelpunkt des allgemeinen Interesses fühlen und dadurch zum Prahlen animiert werden."

Erfährt die Öffentlichkeit dennoch das Urteil?

Laut dem Jugendgerichtsgesetz ist nicht nur die Verhandlung, sondern auch die Verkündung der Entscheidungen im Jugendstrafprozess nicht öffentlich. Ob die Öffentlichkeit im Falle des Tötungsdelikts von Großröhrsdorf dennoch während des Prozesses Details über den Verlauf und nach dem Prozess das Urteil erfährt, sei noch unklar. Das entscheide am Ende die Strafkammer, berichtet Reinhard Schade.

Wieso sind so viele Verhandlungstage angesetzt?

An diesem Dienstag sowie am Mittwoch, dann neun Tage später, dann zweieinhalb Wochen später erneut: Immer wieder kommt das Gericht in den nächsten Wochen zusammen, um sich mit dem Fall zu befassen. Insgesamt 14 Verhandlungstage sind in dem Prozess angesetzt. Als vorerst letzter Termin wird derzeit der 16. Juni genannt. Warum das Gericht so viele Termine angesetzt hat, dazu gibt es keine Auskunft. In der Regel werden in Prozessen wie diesem aber – neben dem Angeklagten – viele Zeugen vernommen, Ermittler, Bekannte des Tatverdächtigen, Sachverständige wie Gerichtsmediziner und beispielsweise auch psychiatrische Gutachter angehört.

Ist der Angeklagte schuldfähig?

Drogenkonsum, eine geistige Behinderung oder eine psychische Erkrankung: All das kann dazu führen, dass ein Täter unter Umständen für schuldunfähig erklärt wird. Im Fall des Großröhrsdorfer Tötungsdelikts war bekannt geworden, dass der Angeklagte nach seiner Festnahme auf Anordnung eines Haftrichters in die geschlossene Abteilung eines psychiatrischen Krankenhauses eingewiesen wurde. Dennoch: Ob davon ausgegangen wird, dass der junge Mann zum Tatzeitpunkt schuldunfähig war, dazu sagt das Gericht derzeit nichts. Auch hier argumentiert Reinhard Schade mit dem Ausschluss der Öffentlichkeit vom Prozess – wegen der Auswirkungen für den Jugendlichen.