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Belasteter Wein kommt in die Kläranlage

Der Winzer Jan Ulrich hat mit der Weinaffäre abgeschlossen. Andere sind noch nicht so weit.

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© Claudia Hübschmann

Von Dominique Bielmeier

Landkreis Meißen. Der ganze Ärger, der ganze Frust und die Unsicherheit der letzten Monate – über einen grauen Schlauch fließen sie aus Tank Nummer 32, angesogen von einer laut knatternden Kreiselpumpe, durch ein Messgerät und schließlich über den Hof vor dem Weindomizil von Jan Ulrich in einen 15 000 Liter fassenden Gülle-Tankwagen, der an einem Traktor hängt.

Die Zahlen auf dem Display des Messgerätes behält Bernd Langefeld im Blick, Weinkontrolleur bei der Landesuntersuchungsanstalt für das Gesundheits- und Veterinärwesen Sachsen (Lua). 630, 635, 640 Liter Müller-Thurgau sind nach den ersten Minuten schon im Gülletank der Firma Lomma gelandet. Wein, den man eigentlich trinken könnte, das weiß hier jeder. Aber eben auch Wein, der den festgelegten Grenzwert für das Pflanzenschutzmittel Dimethoat überschreitet und der deshalb – so will es der Gesetzgeber – aus dem Verkehr gezogen werden musste. Selbst wenn von seinem Genuss keine gesundheitliche Gefahr ausgeht, wie die Ämter immer wieder bestätigt haben.

Sei’s drum. Weingut- und Kellereibesitzer Jan Ulrich ist erleichtert, die insgesamt 13 000 Liter nun los zu sein. „Danach ist die Sache für mich abgeschlossen“, sagt er am Dienstagmorgen. Mit der Einladung will er noch einmal offiziell zeigen: Wir sind jetzt sauber. Nachdem unser Wein nach den Untersuchungen rein ist, ist es nun auch unser Keller. Ende der Weinaffäre, die von belasteten Trauben eines Zulieferers aus der Region ausgelöst wurde und sich mittlerweile auf weitere Betriebe, darunter die Winzergenossenschaft Meißen, ausgeweitet hat.

Flaschen wurden per Hand geleert

Und so fließen erst die 9 000 Liter Müller-Thurgau aus zwei Tanks und danach 4 000 Liter Goldriesling aus einem dritten im süßlich nach vergorenem Wein riechenden Kelterhaus in den Güllebehälter, während in einem Baum an der Elbe ein Kuckuck ruft und die Ausflugsschiffe im Zeitlupentempo vorbeiziehen. Etwa zwei Stunden wird es dauern, bis der letzte Tropfen des Weines, der dem Winzer einen geschätzten Schaden von rund 100 000 Euro eingebracht hat, im Tank sein wird.

Danach geht es für die teure Fracht in die Meißner Kläranlage. Die Anlage in Nünchritz, die erst im Gespräch war, wäre für diese Menge zu klein gewesen, die Durchmischung hätte nicht gestimmt, erklärt Jan Ulrich. Zehn Euro kostet ihn die Entsorgung in Meißen nun. Wenigstens das ist ein überschaubarer Aufwand – mussten die Flaschen des zurückgerufenen Müller-Thurgaus schon per Hand geleert werden. „Immerhin Schraubverschluss“, sagt Ulrich mit Galgenhumor. Die leeren Tanks werden danach ganz normal gesäubert, – „Es ist ja schließlich kein Gift“ – die Weinflaschen übers Altglas entsorgt.

In Zukunft wolle man Stichproben des zugekauften Weines nehmen, so Jan Ulrich. „Ich hoffe, dass sich jetzt alles etwas beruhigt.“ Immerhin beginnt die Weinsaison gerade erst. Auf der Terrasse des Weindomizils sitzen bereits ein paar Pensionsgäste und genießen die Frühlingssonne. Der Weinskandal konnte zumindest sie nicht abschrecken. Was ihm nun besonders wichtig sei, so Ulrich, ist ein Dank an alle Kunden und Geschäftspartner, die ihm in den letzten Monaten die Stange gehalten und vielleicht die eine oder andere Flasche Wein mehr gekauft haben.

Anderswo kann hinter den Weinskandal noch längst kein Haken gesetzt werden. Nach Auskunft des Lebensmittelüberwachungs- und Veterinäramts könnten die Untersuchungen der sächsischen Weine noch bis in den Herbst dauern, sagt Landkreissprecherin Kerstin Thöns.

Sebastian Fischer, weinpolitischer Sprecher der CDU-Landtagsfraktion, will das unbedingt vermeiden und forderte im Landtag einen Abschluss der Proben bis Ende Mai. Im Gespräch mit der SZ sagte er, die Ämter und Behörden müssten noch deutlich besser zusammenarbeiten und mehr Personal für die Beprobungen einsetzen. „Wir wollen ja das Vertrauen des Verbrauchers zurückgewinnen – gerade jetzt am Beginn der Tourismussaison.“

115 Weine seien laut Kerstin Thöns bisher untersucht worden, drei Betriebe insgesamt beanstandet. Und: „Es kursiert das Gerücht, dass es einen vierten gibt“, so Thöns. Schloss Wackerbarth und Schloss Proschwitz seien durch, von der Winzergenossenschaft könne sie es nicht mit Sicherheit sagen. Dort war für die SZ am Dienstag niemand zu erreichen.