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Bergbrauerei wird abgerissen

Die Ruine wird zu gefährlich – was unter der Erde ruht, ist noch größer.

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© Armin Benicke

Von Birgit Ulbricht

Großenhain. Die Zschieschener Bergbrauerei wird nächstes Jahr abgerissen. Der scheinbar etwas plötzliche Entschluss angesichts anderer Projekte, die wegen des umfassenden Breitbandausbaus verschoben werden, hat gewiss auch etwas mit den Stürmen der letzten Zeit zu tun. Immer wieder war die Feuerwehr gerufen worden, weil Ziegel oder Dachreste aus der Ruine abstürzten.

Offenbar will die Stadt nun doch keine weiteren Risiken eingehen. Sie tut zwei Dinge: Erstens den Abriss demnächst ausschreiben. Zweitens bis es so weit ist, vorsorglich die jetzt schon bestehende Absperrung des Gehweges auf eine halbseitige Sperrung der Straße „An der Bergbrauerei“ im Bereich des besonders geschädigten Verwaltungsgebäudes erweitern. Außerdem prüft die Stadt derzeit weitere Maßnahmen zur Sicherung der Gebäudesubstanz, so dass ein Herabstürzen von Dachteilen weitestgehend ausgeschlossen werden kann. Viel mehr passiert erst mal nicht. Großenhain hat dann über 6000 Quadratmeter Grünfläche. Vorerst jedenfalls. Denn dabei dürfte es mitten in der Stadt nicht bleiben. Dass hier ein neues Wohngebiet entsteht, ist vorstellbar und mit einer Großansiedlung auf der Nordfläche des Flugplatzes wohl auch notwendig. Überhaupt in den Besitz des Areals zu kommen, war schon schwierig.

Das Grundstück der ehemaligen Bergbrauerei galt seit 2007 als herrenlos, das heißt, es hatte keinen Eigentümer. Im Jahr 2013 erwarb die Stadt Großenhain im Interesse der Stadtentwicklung das Aneignungsrecht für dieses Grundstück vom Freistaat, der es plötzlich sein eigen nennen konnte, weil die Erben darauf verzichtet hatten. Auch die traten noch einmal in Verhandlungen mit der Stadt, als es um die Löschung aus dem Grundbuch ging. Doch die Stadt wollte mit der Aneignung unbedingt verhindern, dass sich dort ungewollt Besetzer einnisten, was etlichen Kommunen schon passiert ist.

Mit dem angekündigten Abriss verschwindet die Ruine einer großen Tradition in Großenhain. Was bleiben wird, ist die Ausstellung in Mülbitz und noch viel mehr die vielen lebendigen Histörchen über das „Zschieschener Flockenbräu“. In diesen Ruf geriet das gute alte Zschieschener allerdings erst nach 1972. Da hatte der sozialistische Frühling – wo viele Betriebe verstaatlich wurden, die dem bisher entgangen waren – schließlich auch die Bergbrauerei eingeholt.

Getreu dem roten Motto „Ohne Gott und Sonnenschein bringen wird die Ernte ein“, wurden die Bauern auf die Felder geschickt, um das Korn zu dreschen, wenn es die Partei für richtig hielt. Nicht immer war das allerdings der Gang der Natur, das Korn teils noch unreif und so kam es in die Brauerei. Auch dort plagte man sich mit politischer Maßregelung. Die Kapazität der Produktion wurde fortan am Bedarf gemessen und entsprechend vorgegeben. Weder war man dazu aber technisch in der Lage, diese zu erfüllen, noch bedachte man konsequent die Abläufe wie Kühlung oder Filtration. Und so verließ zwar die dreifache Menge Zschieschener die Brauerei, aber auch in entsprechender Haltbarkeit und Anmutung. So viel zum Getränkekombinat Dresden, dessen neue Versorgungsgemeinschaft Großenhain, Riesa, Nossen und Meißen bildeten.

Nach der Wende war endgültig Schluss und das Grundstück verkam zusehends mit den Jahren. Allein die Tatsache, dass der Bergkeller nach Jahrzehnten des Dahinsiechens zum Leben erweckt und derart schön wieder aufgebaut wurde, grenzte bereits an ein Wunder. Das Areal der Bergbrauerei hatten die Bauherren Seurig kurzzeitig auch im Blick, vielleicht für ein nettes kleines Hotel? Doch im Rathaus war man sich sehr wohl bewusst, dass Abriss- und Neubebauung ein Millionen-Vorhaben sind, das ohne Förderung wohl nicht zu stemmen ist. Wie teuer der Abriss wird, muss man sehen. Es wird auch davon abhängen, wie abgerissen wird. Denn was oben zu sehen ist, befindet sich noch einmal gut und gern unter der Erde.

Teils über drei Etagen erstreckten sich die Wirtschaftstrakte, zu Zeiten von Braumeister Heinrich Berndt und später dessen Sohn Emil Berndt. Nur Kesselhaus und Maschinenraum waren nicht unterkellert. Ständig wurde neu hinzugebaut und neu unterkellert, alles in Knack gehauen. Dabei war die Bergbrauerei zu ihrer besten Zeit von einer Nachhaltigkeit, von der heute noch alle reden. Wenn auch aus der Not geboren, gab es hier alle möglichen Gewerke wie den Böttger, fürs Reparieren und Pechen der Holzfässer (das Wort Picheln kommt daher). Aus dem Dampf, der fürs Kochen der Würze und Reinigen der Flaschen sowieso gebraucht wurde, stellten Maschinisten gleich noch über Turbinen Strom her – und zwar damals im 110-Volt-Betrieb.

Zur Brauerei gehörte eine eigene kleine Landwirtschaft zur Versorgung und natürlich der Bergkeller mit eigenem Pächter. Der Präsident des Deutschen Brauerbundes war übrigens ein Großenhainer. Wer weiß das schon noch?