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Besucherwelle im DDR-Museum

Knapp 500 Gäste sind am Wochenende in das insolvente Haus geströmt. Doch bis Ende Oktober bleibt die Lage ernst.

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© Norbert Millauer

Von Ulrike Keller

Radebeul. Bei diesem Anblick sind sich die Generationen einig. „Geil“ findet der 21-jährige Danny das, was er in der Fahrzeugetage zuerst erspäht: zwei fahrbare Knallbonbons der Marke Trabant. „Cool“, kommentiert Vater Andreas Saupe. Schon steht die ganze Familie versammelt vor den Kultpappen und beginnt mit dem Pläneschmieden.

Ost-Pendant zum Supermarkt: In der Kaufhalle gab es nicht immer alles, aber alles zu festen Preisen.
Ost-Pendant zum Supermarkt: In der Kaufhalle gab es nicht immer alles, aber alles zu festen Preisen. © Norbert Millauer
Verlässliche Küchengehilfen: Technik, die begeistert – vor allem, weil sie Jahre bis Jahrzehnte ihren Dienst tat.
Verlässliche Küchengehilfen: Technik, die begeistert – vor allem, weil sie Jahre bis Jahrzehnte ihren Dienst tat. © Norbert Millauer
Mobile für den Nachwuchs: Die große Kinder- und Puppenwagensammlung weckt bei vielen Erinnerungen.
Mobile für den Nachwuchs: Die große Kinder- und Puppenwagensammlung weckt bei vielen Erinnerungen. © Norbert Millauer

„Wie wär’s denn mit dem Blau?“, fragt der Sohnemann. Sein alter Herr nickt. „Gletscherblau mit weißem Dach.“ Das Vater-Sohn-Duo aus Chemnitz steckt zurzeit jede freie Minute in den Aufbau einer 601er-Limousine. Nun hat es im Radebeuler DDR-Museum einen ganzen Fuhrpark an sozialistischen Originalen vor sich. Mutti Colette Krüger hält alles per Kamera fest. Und Tochter Samantha schielt nach den Zweirädern. Eine Schwalbe möchte sie gern aus Einzelteilen auferstehen lassen.

Diese vier Oldtimerfans gehören zu den knapp 500 Besuchern, die es am Wochenende ins Zeitreise-Museum zieht. Eine hoffnungsvolle Resonanz, die dieses Haus zurzeit bitter nötig hat. Denn im Zuge des Insolvenzverfahrens ist auch kein Geld da, um Flyer nachzudrucken. „Die fehlen in Dresden und Umgebung“, sagt Museumsleiter Hans Joachim Stephan. Doch gerade jetzt kommt es auf jeden Gast an. Denn bis Ende Oktober will der Insolvenzverwalter sehen, dass alle Finanzschwierigkeiten behoben sind.

Die Chemnitzer Familie hat sich den Ausflug in das Radebeuler Museum schon lange vorgenommen. Bislang kannte sie es nur aus der MDR-Sendung „Damals war’s“. „Jetzt im Urlaub passte es einfach“, erzählt Mutti Colette. Von der misslichen Lage der Einrichtung erfahren die Vier erst vor Ort.

Die meisten Besucher wissen hingegen um die Situation des Hauses – wenn auch nur wenige da zu sein scheinen, um einen gezielten Beitrag zum Erhalt des Museums zu leisten. Viele wollten eh kommen. Aus ganz persönlichem Interesse. Familie Grimm aus dem Erzgebirge etwa sah auch schon die Pirnaer DDR-Schau und ist nun gleich zu siebt nach Radebeul angereist. „Wir hoffen, dass das Museum überlebt“, sagt Oma Gisela Grimm. „Es wäre schade, wenn all die Wertsachen verloren gingen.“

Das aktuelle Interesse stimmt Museumsleiter Hans Joachim Stephan vorsichtig optimistisch. Bereits für das erste Halbjahr konnte er mit 23 000 Besuchern 3 000 Personen mehr verbuchen als im Vorjahreszeitraum. Und das, obwohl die Zahlen im Juni durch die Hitzeperiode unter die des Vergleichsmonats 2015 gefallen waren. Doch der Juli sei nun recht verheißungsvoll angelaufen, sagt Stephan. „Schon in der ersten Monatshälfte kamen 2 200 Besucher, so viele wie im gesamten Juni.“ Vorige Woche läutete dann Petrus mit Kühle und Regen eine regelrechte Gästewelle ein. Allein am Donnerstag kamen 300 Personen, am Freitag immerhin 160.

Am Wochenende sind neben Museumsgängern aus allen Teilen Sachsens auch etliche Touristen aus den Altbundesländern in der Ausstellung unterwegs. Einem Aufsichtsmitarbeiter des Hauses zufolge stammt das Gros aus Bayern, Nordrhein-Westfalen und Schleswig-Holstein.

Ein angeregter Plausch ist gerade bei den Kinderwagen im Gange. Ein Wossi-Austausch quasi zwischen Familie Eger aus Chemnitz und Familie Pieper, die ursprünglich aus NRW kommt. Schon vor der Wende hatten Piepers engen Kontakt zur Verwandtschaft in der DDR, in den 90ern zogen sie dann in die Nähe von Freiberg.

„Eine Kollegin hat das Museum sehr empfohlen“, erzählt ihre Bekannte aus Chemnitz. „Wir sind hier, weil uns alle die Zeitreise interessiert.“ Dass das Haus in Schwierigkeiten steckt, sei für ihren Besuch nicht ausschlaggebend gewesen. „Beim Eintrittspreis habe ich erst geschluckt“, gesteht ihr Mann. „Aber bei allem, was man hier zu sehen bekommt, ist die Höhe absolut gerechtfertigt.“ Piepers meinen: „Wir haben schon mehr bezahlt und weniger gesehen.“ Sie wollen mit Verwandten aus Bochum wiederkommen.

Die vier fahrzeugbegeisterten Chemnitzer haben sich inzwischen auf den Außenplätzen des Museumsrestaurants niedergelassen. Unterm Sonnenschirm sitzen sie bei Leberkäse mit Kartoffelbrei, Goldbroiler mit Pommes und Nudeln mit Tomatensoße. „Sahne“, lobt Danny den Kartoffelstampf mit ganz viel Butter. Und Mutti Colette adelt die Küche: „Das schmeckt wirklich wie früher.“