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Bilddamaste für Könige

Zwei Handweber brachten im 17. Jahrhundert die Geheimnisse des Gewebes nach Großschönau.

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© Wolfgang Wittchen

Von A. Bretschneider u. W. Herrmann

Damast kommt aus dem Orient – und zwar in zwei grundverschiedenen Formen: Zum einen handelt es sich um ein edles Gewebe, zum anderen um einen edlen Stahl. Beide Produkte wurden vor 1 500 Jahren in und um Damaskus weiterentwickelt, als man sich im frühmittelalterlichen Europa noch mit rohen Wollstoffen oder grobem Leinen und rostanfälligen Messer- oder Schwertklingen begnügen musste. Dass gewebter Seidendamast eher aus China nach Damaskus gelangte und erst von hier nach Süd- und Mitteleuropa, ist sehr wahrscheinlich. Damast heißt die Gewebeart nur im deutschsprachigen Raum. An eine bestimmte Faser ist er nicht gebunden, nur fein und gleichmäßig gesponnen muss das verwebte Kett- und Schussgarn sein. Je feiner die beiden Garne, desto größer der natürliche Gewebeglanz und deutlicher die Konturen des Bilddamastes. Die europäische Leinendamastweberei hatte im 16. bis Mitte des 17. Jahrhunderts ihren Schwerpunkt in den damaligen Spanischen Niederlanden - Holland, Brabant und Flandern.

Das „Know-how“ war begehrt und wurde folglich gut geschützt. Trotzdem ist es nach dem Dreißigjährigen Krieg zwei Großschönauer Handwebergesellen – den Brüdern Lange – gelungen, bei ihren Reisen hinter die Geheimnisse des Bilddamastwebens zu kommen. Sie handelten im Auftrage des Zittauer Rates, denn Großschönau war als eines der Zittauer Ratsdörfer nur ihm (web)stuhlgeldpflichtig. Bald übertraf Großschönauer Damast den niederländischen und brachte auf den Märkten gutes Geld ein. Unterstützt wurde die schnelle Verbreitung auch durch die Vertreibung der Hugenotten aus Frankreich und deren Ansiedlung in deutschen Ländern. Die Zittauer Ratsherren und nicht zuletzt per Dekret der sächsische König erkannten schnell den gestiebitzten Schatz und verfuhren dann in gleicher Weise: Kein Fremder sollte eine Großschönauer Weberstube mit Damastwebstuhl zu Gesicht bekommen. Nur durch Vermittlung eines Bekannten gelang es im Jahre 1741 dem wissbegierigen Orgelbaumeister Johann Andreas Silbermann aus Straßburg, die geheime Damastwebkunst kennenzulernen.

Er besuchte, während sein Onkel Gottfried die Orgel in der noch unzerstörten Zittauer Johanniskirche baut, gleich zwei Damastweber. J. A. Silbermann war ein Universalgelehrter, er interessierte sich für Landeskunde ebenso wie für Bergbau oder eben die Spitzenleistung damaliger Webkunst – die „gezogenen“ Damaste. Er war mehr als ein genialer Orgelbaumeister des 18. Jahrhunderts. Nach seiner Rückkehr ins Elsass brachen die Schlesischen Kriege aus. Deren Sieger, Preußenkönig Friedrich II., schätzte Großschönauer Damaste. Mit List und Gewalt lockte er ganze Damastweberfamilien samt webtechnischem Mobiliar aus der südlichen Oberlausitz in sein gerade hinzugewonnenes Schlesien. Was hat es auf sich, dieses damals über alles geschätzte Bildgewebe: Ein Weber allein kann es nicht herstellen, zu anspruchsvoll sind die notwendigen Vor- und Nebenarbeiten: Es bedarf eines künstlerischen Musterentwurfes durch den Musterzeichner, als Nächstes eines Mustermachers, der sogenannte Schnurenbündel danach anfertigt. Das kostet viel Zeit und Genauigkeit. Ein oder mehrere Kettfäden falsch gebündelt ergibt einen schwer reparablen Bildfehler. Ein oder bei breiter Ware mehrere sogenannter Zieher waren unentbehrlich, denn die hoben entsprechend des Musters die Kettfäden mit den Händen aus. Die Produktivität war entsprechend niedrig.

Man geht davon aus, dass bei feinfädigem Schussgarn nicht mehr als 20 Zentimeter pro Tag geschafft wurden, vergleichbar mit einem großen handgeknüpften Teppich. Jetzt wird Wert und Preis des Luxusgutes Damast klar, einfache Leute konnten sich kein solches Tafeltuch leisten und hatten wohl auch den Tisch nicht dazu. Auf Bindungstechnik und Garnbleichekann in diesem Überblick nicht eingegangen werden. Nur so viel noch: Mit dem Siegeszug der 1805 von dem Franzosen J.-M. Jacquard erfundenen Jacquardmaschine setzte allmählich der Niedergang des handgewebten Damastes ein und wurde von einem produktiveren, für breitere Bevölkerungskreise erschwinglichen abgelöst.