Neukirch: Klinik-Chef hilft bei Kinderarzt-Suche

Neukirch/Bautzen. Reiner Rogowski, Geschäftsführer der Oberlausitz-Kliniken (OLK), beteiligt sich an der Suche nach einem neuen Kinderarzt für Neukirch. „Wir sind für alle Möglichkeiten offen, sowohl für die Anstellung, als auch für eine fachlich-sachliche Unterstützung durch die Klinik für Kinder- und Jugendmedizin am Krankenhaus Bautzen“, erklärt er gegenüber Sächsische.de. Allerdings werde die Suche sehr schwierig. „Ich bin zurzeit nicht sehr optimistisch.“
Der Klinik-Chef weist zudem darauf hin, dass der medizinische Versorgungsauftrag in Deutschland bei den Kassenärztlichen Vereinigungen liege. „Die Krankenhäuser springen mit ihren Ambulanzen ein. Das ist aber nicht die Lösung.“ Für die Region, zu der Neukirch zählt, gebe es aktuell eine Überversorgung mit Kinderärzten und deshalb Zulassungsbeschränkungen. Diese Beschränkungen würden sehr wahrscheinlich auch ohne die Neukircher Praxis bestehen bleiben, hatte die Kassenärztliche Vereinigung Sachsen (KVS) Ende Januar mitgeteilt.
Die Situation für Kinderärzte und andere Fachrichtungen bei niedergelassenen Ärzten wird laut Reiner Rogowski aber immer schwieriger. Er habe in Verbänden und gegenüber den Planungsbehörden vorgeschlagen, Bedarfsberechnungen nicht nur an Bevölkerungszahlen festzumachen. Denn „eine Kinderarztpraxis wie die in Neukirch hat eine überregionale Bedeutung und ein entsprechendes Einzugsgebiet. Auch in den Nachbarregionen gibt es immer wieder Engpässe“, etwa durch Erkrankungen, Berentung oder Schwangerschaften. All das gehöre mit in eine Versorgungsplanung.
So berichtete Sächsische.de bisher über die Arztsuche:
Gunter Neumann hat viel versucht, um einen Nachfolger zu finden. Der Kinderarzt aus Neukirch hat seine Praxis Ende vergangener Woche nach knapp 30 Jahren geschlossen und ist in den Ruhestand gegangen. „Ich habe zwei Jahre lang einen Nachfolger gesucht, hatte meinen Abschied bei der Kassenärztlichen Vereinigung Sachsen angemeldet und wiederholt mit ihr verhandelt.“
Gefunden hat Gunter Neumann aber bislang niemanden. Die Kassenärztliche Vereinigung (KVS) sei auch keine große Hilfe gewesen, sagt er. „Wir wissen seit der Wende, dass die Ausbildung zum Kinderarzt weitergehen muss, auch wenn die Kinderzahlen mal sinken.“ Allgemeinmediziner, wie von der KVS vorgeschlagen, seien eben nicht für die Behandlung von Kindern und Jugendlichen ausgebildet.

Er habe zudem alle Chefärzte der Kinderkliniken in der Region angeschrieben und deutschlandweit über den Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte gesucht. Doch alle Versuche waren bislang ergebnislos, berichtet Neumann.
Gemeinde Neukirch würde neue Praxis bauen
Jetzt hat sich die Gemeinde Neukirch eingeschaltet. Gemeinsam mit den Oberlausitz Kliniken hat sie eine Anzeige erstellt, die im Mitteilungsblatt veröffentlicht wurde. Die Gemeinde suche bundesweit und die Oberlausitz Kliniken mit ihren Mitteln, erklärte Bürgermeister Jens Zeiler (CDU) in der jüngsten Gemeinderatssitzung.
„Eine enge Zusammenarbeit mit der Klinik für Kinder- und Jugendmedizin am Krankenhaus Bautzen ist erwünscht und wird zugesagt“, so steht es in der Anzeige. Die Tätigkeit könne im Rahmen einer Selbstständigkeit oder einer Anstellung erfolgen. „Übergangsweise stehen die vorhandenen Räumlichkeiten der jetzigen Kinderarztpraxis zur Verfügung.“ Eine neue Praxis könne in der Gemeinde gebaut werden, heißt es weiter.
Jens Zeiler erklärt gegenüber Sächsische.de, wo das passieren könnte. „Ich habe mit unserem Investor für die Einfamilienhäuser und die in diesem Jahr geplanten Mehrfamilienhäuser am Bönnigheimer Ring gesprochen. Hier könnten im Erdgeschoss entsprechende Praxisräume entstehen.“
Bisherige Praxis wäre übergangsweise nutzbar
Gunter Neumann bestätigt das. „Wenn wir wissen, dass ein neuer Kinderarzt kommt, könnte der solange in meiner Praxis behandeln, bis die neue gebaut ist.“ Doch die Zeit für die Suche ist begrenzt, wie KVS-Sprecher André Reiche auf Anfrage mitteilt. Sechs Monate bleiben jetzt noch, um einen neuen Kinderarzt für Neukirch zu finden. „In diesen Zeitraum kann eine Vertragsarztpraxis selbst nach ihrer Schließung noch übernommen und fortgeführt werden“, erklärt André Reiche.
Die KVS bedaure den Verlust der Kinderarztpraxis in Neukirch, sie verweist auf andere Praxen in der Region sowie die Behandlung von Kindern und Jugendlichen durch Hausärzte.
Mehrere Kinderärzte gehen demnächst in Rente
Gunter Neumann hat die umliegenden Kinderarztpraxen in Wilthen, Kirschau oder Obergurig gebeten, zumindest Neugeborene, Säuglinge und Kinder mit Entwicklungsrückständen aufzunehmen. Nach eigener Schätzung hat der Neukircher bis zum Ruhestand 800 bis 1.000 Patienten behandelt. Alle, die nicht zu den genannten Gruppen gehören, brauchen nun neue Ärzte. „Manche Patienten haben schon etwas gefunden, zum Beispiel in Oppach, Stolpen oder Radibor“, sagt Gunter Neumann.
Theoretisch würde auch die Praxis in Bischofswerda Patienten übernehmen, aber das geht wohl erst wieder, wenn die dortige Kinderärztin nach Schwangerschaft und Elternzeit zurück im Dienst sein wird. Kinderarzt Markus Grohmann, ihr Schiebocker Kollege, könne das allein nicht leisten.
Sollte innerhalb eines halben Jahres kein neuer Kinderarzt für Neukirch gefunden sein, falle diese Stelle erstmal weg, erklärt Gunter Neumann. Dabei werde die Situation nicht besser. „Mehrere Kinderärzte in der Region sind bereits 60 Jahre und älter. Wir brauchen dringend Nachwuchs.“
KVS sieht Überversorgung in Bautzen und Umgebung
Die KVS scheint das anders zu sehen. Denn Sprecher André Reiche teilt dazu mit, dass im Planungsbereich Bautzen, wozu Neukirch gehört, für Kinderärzte „Zulassungsbeschränkungen wegen Überversorgung angeordnet worden“ sind. Die jüngste Prüfung sei im Oktober 2020 erfolgt. Das heißt übersetzt, aus Sicht der KVS gibt es in dem Gebiet genügend Kinderärzte.
Die Beschränkungen würden laut Reiche sehr wahrscheinlich auch ohne die Neukircher Praxis bestehen bleiben. Der Landesauschuss prüfe die Lage aber vierteljährlich. Allerdings sei „der entscheidende Faktor das Vorhandensein von niederlassungswilligen Ärzten“, fügt der KVS-Sprecher hinzu.
Die Gemeinde Neukirch wirbt in ihrer Anzeige wohl auch deshalb mit ihren Vorteilen wie etwa der Nähe zur Autobahn oder zu den Städten Dresden, Bautzen und Bischofswerda, der Bahnanbindung, 900 Industriearbeitsplätzen, einer Grund- sowie einer Oberschule, zwei Kindertagesstätten, guten Einkaufsmöglichkeiten und dem reizvollen Oberlausitzer Bergland.
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