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Blaues Wunder in Pulsnitz

Es gibt nur noch wenige Blaudruck-Werkstätten in Deutschland. Das alte Handwerk ist nun zu hohen Ehren gelangt.

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© dpa/Oliver Killig

Von Anna Ringle

Pulsnitz. Ein riesiger Bottich, gefüllt mit dunkler Flüssigkeit. Cordula Reppe taucht weißen Stoff hinein – nach einiger Zeit zieht sie ihn wieder hinaus, er kommt mit Luft in Berührung. Den Vorgang wiederholt sie, bis der typisch indigo-blaue Farbton zum Vorschein kommt. Dazwischen sind weiße Ornamente auf dem Stoff zu erkennen. Die 55-Jährige pflegt die jahrhundertealte Tradition des Blaudruck-Färbens in ihrer alten Werkstatt in Pulsnitz in der Oberlausitz. Es gibt in Deutschland nur noch vereinzelt Blaudruck-Experten, die diese Stoffe traditionell in Handarbeit herstellen.

Und die Zahl wird immer überschaubarer. Bis vor wenigen Jahren gab es etwa in Cottbus eine aktive Blaudruck-Werkstatt. Das Geschäft ruhe nun aus Altersgründen, sagt Evelin Rühtz-Müller. Dass in Cottbus nicht mehr produziert wird, hat sich noch nicht überall herumgesprochen. Jede Woche bekomme sie Anrufe und Anfragen, ergänzt Rühtz-Müller. Seit den 1980er Jahren war sie selbstständig und hatte neben ihrer Werkstatt zwei Ladengeschäfte in Cottbus und im Spreewald. Den Betrieb habe sie nur noch nicht abgemeldet, weil ihr Herz daran hänge.

In Pulsnitz glückte vor einigen Jahren die Übergabe an Nachfolgerin Reppe. Davor war sie Leiterin des Stadtmuseums gewesen und hatte mit Blaudruck nur wenig zu tun, wie sie berichtet. Dann habe sie von der Suche nach einem Nachfolger erfahren und den Schritt gewagt. Seit der Übernahme der vielen alten Geräte lerne sie jeden Tag ein Stück mehr über das Handwerk. In ihrer Schau-Werkstatt sind jede Menge Arbeitsgeräte zu sehen.

Model, Papp und geheime Zutaten

Cordula Reppe nimmt ein Model in die Hand – so heißen die Holzstücke mit Mustern, die auf den weißen Stoff aufgedrückt werden. Das Model wird dazu in eine breiartige Masse – Papp genannt – aus Ton, Gummi und geheimen Zutaten getaucht und dann auf den Stoff aufgedrückt. Das Ganze härtet über Wochen aus und bildet eine Art Schutz beim Färben – die Stellen werden also ausgespart. Reservedruck heißt die Bezeichnung. Nach dem Färben wird die Masse abgewaschen und der Blaudruck-Stoff ist fertig.

Vor wenigen Tagen wurde das Handwerk in die Repräsentative Liste des immateriellen Kulturerbes der Menschheit bei der Unesco aufgenommen. Mehrere Länder, darunter Deutschland, hatten die jahrhundertealte Technik der Stoffveredelung dafür nominiert. Nun gab es dafür grünes Licht – so wie für die Meissener Porzellanmalerei. In einem bundesweiten Verzeichnis des Immateriellen Kulturerbes wird der Blaudruck bereits seit 2016 aufgeführt.

Lust auf das Individuelle

Cordula Reppe fertigt aus den Stoffbahnen Tischwäsche, Gardinen, Schürzen oder kleine Accessoires wie Lavendelsäckchen und Glückwunschkarten. Sie verkauft auch Meterware – etwa für Trachten. Die Nachfrage steige, sagt die 55-Jährige. „Viele Kunden wollen Individuelles haben.“

Blaudruck-Motiven sind auch andernorts sehr gefragt. Georg Stark betreibt zum Beispiel in Jever in Niedersachsen eine Blaudruck-Werkstatt mit Laden. Der Verkauf sei seit Jahren konstant, sagt er. „Das Handwerk ist eigentlich untergegangen“, sagt er. Die Industrialisierung habe die meisten kleinen Betriebe verdrängt.

Blaudruck-Stoffe spielen bei Trachtenkleidung eine Rolle, wie der Deutsche Trachtenverband mitteilte. Zum Beispiel komme der Blaudruck in Arbeitstrachten in Thüringen vor. Auch bei sorbischen Trachten ist der Stoff zu finden. Der Markt sei eingeschränkt, sagt Verbandspräsident Knut Kreuch. Teilweise werde der Stoff aus dem Ausland bezogen. (dpa)