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Blitzerattrappe an der Staatsstraße

Um den Verkehr vor ihrem Haus in Hirschstein auszubremsen, hat eine Familie eine Starkasten-Kopie aufgestellt. Das ist nicht unproblematisch.

Von Eric Weser
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Der graue Kasten an der Staatsstraße  87 in Kobeln ist nicht für jeden sofort als Nachahmung zu erkennen. Manch Autofahrer bremst deshalb ab.
Der graue Kasten an der Staatsstraße 87 in Kobeln ist nicht für jeden sofort als Nachahmung zu erkennen. Manch Autofahrer bremst deshalb ab. © Sebastian Schultz

Hirschstein. Wer aus dem Auto nur einen flüchtigen Blick auf die graue Box hinter dem Zaun wirft, könnte sie für einen echten Blitzer halten. Ist sie aber nicht. Stattdessen ist der vermeintliche Starkasten wohl ein echtes Vogelhaus: Auf der Rückseite befindet sich ein Loch mit kleinem Steg, über das die Tiere rein und wieder raus können.

Die Blitzer-Attrappe steht auf einem privaten Grundstück im Hirschsteiner Ortsteil Kobeln. Wer in Wölkisch von der B 6 auf die Staatsstraße 87 abbiegt, um nach Riesa zu fahren, der kommt an der Stelle vorbei. Und das tun viele. Über einen Mangel an Durchgangsverkehr können sich die Kobelner wahrlich nicht beschweren. Während im unteren Teil des Ortes immerhin bis auf Tempo 30 runtergebremst werden soll, sind nach dem Kriegsdenkmal in der Dorfmitte wieder 50 Kilometer pro Stunde erlaubt. Aber weil es bergauf geht und nach der Kuppe die lange Gerade nach Heyda kommt, beschleunigt mancher seinen Wagen hörbar stark. Bei den vorgeschriebenen 50 dürfte es da in vielen Fällen nicht bleiben.

Einer Familie, die in dem gelben Haus im oberen Teil der Wölkischen Straße wohnt, ist es aber offenbar zu viel. Die jungen Leute, die die Attrappe im Garten aufgestellt haben, sind beim SZ-Besuch vor Ort nicht anzutreffen. Dafür aber eine Mitbewohnerin aus dem Haus. Wegen der drei kleinen Kinder der Familie ist der falsche Blitzer hingekommen, sagt sie. Die Seniorin ist der Meinung, dass die nachgebildete Radarfalle durchaus hilft, Raserei im Ort etwas einzudämmen. „Seitdem sie steht, ist es ruhiger.“ Eine viertelstündige Beobachtung des Verkehrs vermittelt einen anderen Eindruck. Etwa 25 Autos fahren in der Zeit auf der Blitzer-Fahrbahnseite durch den Ort – die meisten Pkws, aber auch eine Handvoll Kleintransporter und Pritschenwagen. Die Kennzeichen sind überwiegend MEI und RG, aber es gibt auch Autos aus dem Raum Chemnitz, Dresden und Mittweida. Doch egal ob mutmaßlich einheimisch oder fremd: Weder vor noch nach dem Blitzer gehen Bremslichter an. Ob jemand vom Gas geht und deshalb wegen der Anhöhe Geschwindigkeit verliert, ist schwer zu sagen. Der Blick von der anderen Straßenseite in die Autos deutet darauf hin, dass viele Fahrer den vermeintlichen Blitzer gar nicht zu sehen scheinen. – Tatsächliche Wirkung hin oder her – manche Beobachter stellen sich die Frage, ob die Blitzer-Attrappe überhaupt dort stehen darf.

Amt duldet Fake-Blitzer

Aus dem Meißner Landratsamt hieß es dazu bereits in der Vergangenheit, man dulde die Fake-Blitzer auf Privatgrundstücken, solange sie nicht zur Massenerscheinung würden. Einschreiten werde man dann, wenn die vermeintlichen Anlagen die Autofahrer erschrecken. Etwa, wenn sie tatsächlich blitzen.

Das ist aber weder bei der Blitzer-Attrappe in Kobeln so, noch bei anderen Exemplaren wie in der Gemeinde Lampertswalde bei Großenhain.

Unproblematisch ist das Aufstellen von Fake-Blitzern jedoch nicht. Gibt es eine Anzeige wegen Amtsanmaßung, können die Blitzer-Bastler vor Gericht landen. Das Amtsgericht Köln hat laut einem Bericht der Deutschen Presseagentur just diese Woche im Verfahren gegen einen 36-jährigen Familienvater entschieden, dass das Aufstellen eines selbstgebauten Starkastens – der auch in Köln auf Privatgrund stand und nicht blitzte – strafbar ist. Wegen geringer Schuld stellte die Richterin das Verfahren gegen den Mann aber ein.