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BND-Chef muss Schlapphut nehmen

Nach jahrelangen quälenden Affären wechselt die Regierung den BND-Präsidenten aus. Ein enger Vertrauter des Finanzministers soll den Dienst wieder auf Kurs bringen. Ob der Schritt den Kritikern ausreicht?

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© dpa

Von Jörg Blank

Berlin. Als Gerhard Schindler am Mittag gemeinsam mit den anderen Spitzen der deutschen Sicherheitsbehörden für die Fotografen posiert, ist ihm nichts anzumerken. Direkt links neben Innenminister Thomas de Maizière und Kanzlerin Angela Merkel (beide CDU) lächelt der Präsident des Bundesnachrichtendienstes den Fotografen zu.

Auch die kleinen Faxen, die Merkel bei der Aufstellung ihrer wichtigsten Sicherheitsleute für die Fotoleute zelebriert, macht er mit. Es ist ein wichtiger Termin für die Kanzlerin: Öffentlich stellt sie sich im Gemeinsamen Terrorabwehrzentrum (GTAZ) von Bund und Ländern hinter die in der Vergangenheit oft umstrittenen Sicherheitsbehörden.

Für Schindler dürfte das einer der letzten Auftritte im Scheinwerferlicht gewesen sein. Als Merkel am Dienstag mit ihm und den anderen Sicherheits-Präsidenten für die Kameras posiert, ist ihr und im Kanzleramt längst klar: Für die nach den Affären der vergangenen Jahre anstehenden Reformen im deutschen Auslandsgeheimdienst ist der 63-Jährige nicht mehr der richtige Mann.

Seit Anfang 2012 führt Schindler den BND. Die Affären um die Zusammenarbeit mit dem US-Partnerdienst National Security Agency (NSA) und die umstrittenen eigenen Abhöraktionen des Dienstes haben ihren Ursprung vor seiner Zeit, das hat er immer wieder betont, wenn er etwa im NSA-Untersuchungsausschuss des Bundestages Rede und Antwort stehen musste. Er selbst habe Missstände abgestellt und mit dem Aufräumen begonnen.

Über Jahrzehnte hinweg hatten sich Teile des BND verselbstständigt, es gab zu wenig interne Kontrolle und undurchsichtige Entscheidungsstrukturen. Die Affäre und die nervenzehrende Aufarbeitung der Missstände hatten in den vergangenen Monaten auch gesundheitliche Spuren bei Schindler hinterlassen.

In Sicherheitskreisen in Berlin wird am Dienstagabend über die Gründe für den Wechsel an der BND-Spitze spekuliert. Schindler werde wohl schon in wenigen Tagen abgelöst, wird vermutet. Es sei gut möglich, dass es nicht nur einen Grund für die Entscheidung Merkels und ihrer engsten Vertrauten wie etwa Kanzleramtsminister Peter Altmaier gebe, heißt es. Schon eher eine Kombination von vielen Gründen.

So könne womöglich die Sorge um den Gesundheitszustand Schindlers eine Rolle gespielt haben. Oder die Befürchtung, er selbst könne zur Unzeit hinschmeißen, etwa mitten im Wahljahr 2017, ist in Sicherheitskreisen zu hören. Zudem solle mit der Entscheidung vom Kanzleramt wohl demonstriert werden, dass man mit einem jüngeren Chef an der Spitze auf längere Sicht Stabilität beim ins Schlingern geratenen Bundesnachrichtendienst herstellen wolle.

So ganz freiwillig, ist in Berlin auch zu hören, soll Schindler nicht aus seinem Amt gehen. Ob das Gerücht stimmt, dass man ihm einen Rücktritt nahegelegt und er diesen abgelehnt hat, ist am Abend nicht zu verifizieren. Möglich scheint das: Wer Schindler in den vergangenen Monaten erlebt hat, traf einen nachdenklichen, aber nicht körperlich schwer angeschlagenen oder frustrierten BND-Präsidenten.

Schindler selbst hatte sich in den vergangenen Monaten im kleinen Kreis selten Illusionen über seine berufliche Zukunft gemacht. Ihm war klar: Wenn jemand für die Missstände in seiner Behörde den Kopf würde hinhalten müssen, dann er selbst. Knapp zwei Jahre wären es noch bis zu seiner ordentlichen Pensionierung gewesen.

Bei dem Einschnitt an der BND-Spitze dürfte auch die „graue Eminenz“ im Kabinett Merkel wesentliche Fäden gezogen haben: Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU). Der hatte schon vor wenigen Wochen persönlich bei Merkel mit der Sorge interveniert, die Diskussionen um die BND-Affären und ein neues BND-Gesetz könnten den Dienst und die Sicherheit der Bundesrepublik vor islamistischem Terror schwächen.

Schäuble dürfte auch den designierten Nachfolger Schindlers ins Gespräch gebracht haben. Sicherheitskreise bestätigten der Deutschen Presse-Agentur einen Bericht von „Süddeutscher Zeitung“, NDR und WDR, nach dem ein Abteilungsleiter in Schäubles Finanzministerium an die Spitze des BND rücken soll: der 53 Jahre alte Bruno Kahl. Er war 2010 Leiter des Leitungsstabes im Schäuble-Ressort geworden und ist dort seit 2011 Leiter der für Privatisierungen, Beteiligungen und Bundesimmobilien zuständigen Abteilung 8.

Kahl ist ein enger Vertrauter Schäubles, der über jahrelange Erfahrung auch im Sicherheitsbereich verfügt: Von 2006 bis 2009 war der promovierte Jurist Chef des Leitungsstabes unter dem damaligen Innenminister Schäuble.

Vor allem zwei Dinge wird Kahl als neuer BND-Chef unter einen Hut bringen müssen: Zum einen geht an tiefgreifenden Reformen beim BND auch nach Meinung selbst wohlgesonnener Politiker aus der Union kein Weg vorbei, genauso wie an einer strengeren parlamentarischen Kontrolle. Zum anderen wird Kahl aber wohl im Sinne seines Förderers Schäuble dafür sorgen sollen, dass der BND nicht zu sehr in jener Aufgabe beschnitten wird, für die er gegründet wurde: beim Spionieren. (dpa)