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Bringt der Klimawandel Görlitz mehr Regen?

Ein Auf und Ab von Temperaturen, mal viel Wasser von oben, mal keines – die SZ sprach darüber mit einem Experten.

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© Nikolai Schmidt

Von Matthias Klaus

Am Sonnabend war es noch um die 24 Grad warm in Görlitz, am Montag lag die Temperatur nur noch bei 17 Grad. Ein Wettersprung mitten im Sommer. Davon gab es in diesem Jahr schon etliche. Normal oder Auswirkungen des Klimawandels? Welche Rolle spielen Gewässer wie der Berzdorfer See und die Neiße? Die SZ sprach darüber mit einem Experten, dem Leiter des Mitteldeutschen Klimabüros beim Helmholtz-Zentrum für Unwetterforschung in Leipzig.

Andreas Marx leitet das Mitteldeutsche Klimabüro am Helmholtz-Zentrum für Unwetterforschung in Leipzig.
Andreas Marx leitet das Mitteldeutsche Klimabüro am Helmholtz-Zentrum für Unwetterforschung in Leipzig. © André Künzelmann

Interview mit Dr. Andreas Marx

Herr Dr. Marx, derzeit erleben wir wieder einen Temperatursprung. Davon gab es in diesem Jahr bereits mehrere. Sind das Auswirkungen des Klimawandels oder ist das noch ganz normales Sommerwetter?

Dr. Andreas Marx: Der Sommer ist bisher sehr unbeständig und doch die Temperatur betreffend sehr durchschnittlich. Ungewöhnlich waren bisher die häufigen und heftigen Gewitter und in Görlitz auch im Juni und Juli die Niederschlagsmenge, verglichen mit dem langjährigen Mittel, sehr hoch. Insgesamt ist es aber eher ein normales Sommerwetter als Ausdruck des Klimawandels.

Klimaprognosen sagten in den vergangenen Jahren für die Region eher sehr trockenes Wetter voraus, sowohl im Sommer als auch im Winter, mit entsprechenden Problemen für die Landwirtschaft. Ist das immer noch die gängige Meinung in der Klimaforschung?

Marx: Klimawandel ist ein schleichender Prozess, den wir seit 130 Jahren beobachten. Die durchschnittliche Temperatur ist um über ein Grad Celsius gestiegen, die Winterniederschläge haben zugenommen, im Sommer stagniert die Menge. Dieser Trend wird sich in Zukunft fortsetzen. Durch höhere Temperaturen im Sommer verdunstet mehr Wasser und geht verloren – damit steht weniger Wasser zur Verfügung.

Zudem häufen sich die Gewitterniederschläge, deren Wasser zu großen Teilen oberflächlich abläuft und nicht in den Boden geht. Somit ist es für Pflanzen nicht verfügbar. Die Trockenheitsproblematik im Sommer und die Hitze werden in Zukunft für uns die wichtigsten direkten Auswirkungen des Klimawandels darstellen. Da die Veränderungen aber langsam und über Jahrzehnte ablaufen, ist Klimawandel keine Rekordjagd. Wir werden auch in den nächsten Jahren durchschnittliche Sommer mit normaler Gewitterhäufigkeit erleben.

Wie wirken sich der Berzdorfer See und die Neiße auf das Görlitzer Klima aus? Mehr Wasser, mehr Verdunstung, mehr Wolken?

Marx: Wasserflächen wirken sich in Hitzeperioden positiv auf die Umgebung aus, da über die Verdunstung Energie abgeführt, und damit eine Abkühlung erreicht werden kann. Gerade deshalb ist es wichtig, in Städten Wasser- und Grünflächen, die einen ähnlich positiven Effekt haben, zu erhalten oder auszubauen. Der Einfluss ist aber auf einem Umkreis von etwa einem Kilometer beschränkt. Über Wasser ist generell die Windgeschwindigkeit höher und im Umland das Auftreten von Nebel häufiger. Der Berzdorfer See und die Neiße wirken aber nur auf die untere Atmosphäre und können damit Gewitter kaum beeinflussen. Die haben eine vertikale Ausdehnung bis zum oberen Ende der Tropopause, also ungefähr bis zu zehn Kilometer Höhe. Man hat Gewitterzellen mit einer Höhe von acht Kilometern und einem Durchmesser von 25 Kilometern. Da hat ein von der Fläche her doch relativ kleiner See, dessen Effekte sich auf die Bodennähe konzentrieren, kaum Einfluss.

Seitens Versicherungen heißt es, dass es verstärkt Hagelschäden gebe.

Marx: Es gibt viele Untersuchungen dazu, wie sich Gewitter auf die Versicherungswirtschaft auswirken. Da muss man klar sagen, dass die Schäden gestiegen sind. Die Anzahl der Ereignisse ist es aber nicht. Das hängt damit zusammen, dass die Versicherungsabdeckung immer besser geworden ist. Diese Effekte haben also nichts mit Klima und Gewittern zu tun.

Die Beobachtungen sind daher wohl eher dem generellen Klimawandel geschuldet?

Marx: Ja, wobei: Es gibt da eine große, nur gefühlte Zunahme. Das kommt durch mediale Effekte und durch Smartphones. Wenn vor zwanzig Jahren ein Gewitter mit Hagel niederging, gab es vielleicht ein paar Tage später Bilder von einem verhagelten Auto. Wenn überhaupt. Heute zücken alle ihr Smartphone, und es dauert nur Minuten, bis die Bilder von einem Schadensereignis online verfügbar sind. Also hat man den Eindruck, dass diese Ereignisse viel häufiger sind. Das stimmt so aber nur eingeschränkt. Gewitterereignisse sind nur ganz leicht häufiger geworden. Von Stundenniederschlägen wissen wir, dass sie in den letzten 30 Jahren heftiger geworden sind. Aber auch das nicht in dem Maße, wie man das durch mediale Berichte fühlt.

Ist der Klimawandel momentan dann doch nicht so stark wie angenommen?

Marx: Das kann man so sagen. Aber für die Zukunft ist es relativ einfach: Wenn die Temperatur ein Grad wärmer wird, kann die Luft über uns sieben Prozent mehr Feuchtigkeit aufnehmen. Wenn mehr Feuchtigkeit und damit mehr Energie in der Luft unterwegs sind, heißt das, dass mehr Niederschlag in kurzer Zeit fallen kann. Da gibt es recht gute Studien, die für ganz Europa zeigen, dass die Gewitterniederschläge sich unter dem Klimawandel um etwa 25 Prozent intensivieren können.

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