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Burkhardswalde gibt den Toten ihre Ruhe zurück

Vor vier Jahren sah die Gruft unter der Kirche scheußlich aus. Jetzt ist sie eine würdige Begräbnisstätte. Wenn es wieder Geld gibt, muss weitergearbeitet werden.

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© Marko Förster

Von Heike Sabel

Burkhardswalde. Die Burkhardswalder Kirche ist so voll wie sonst höchstens zu Weihnachten. Auch der Anlass ist ungewöhnlich an diesem Sonnabend. Die Gruft unter der Kirche ist saniert, die sterblichen Überreste der hier bestatteten Adligen sortiert und würdig gebettet. Die Arbeiten sind beendet, künftig wird die Gruft nur zu besonderen Anlässen geöffnet. Vielleicht ist das ein Grund, weshalb so viele dabei sein wollten. Einheimische, unmittelbar aus der Nachbarschaft, und Weitgereiste. Die von Bünaus zum Beispiel. Ihre Vorfahren sind in der Gruft beigesetzt. Sie nutzen die Gelegenheit für ein Familientreffen. Von den 104 Mitgliedern des Familienverbundes wohnen nur vier in Sachsen.

Dr. Andreas Ströbl, seine Frau Regina und Kollegin Dana Vick von der Lübecker Forschungsstelle Gruften haben schon viele Gruften in ganz Deutschland gesehen. „Die Burkhardswalder Gruft war bei unserem ersten Besuch unwürdig, keimig, pilzig, einfach scheußlich.“ Das ging Ströbl zu Herzen. Gleichzeitig ist er froh, solche Zustände ändern zu können. Den Anstoß für die Sanierung gaben die Pfarrerin Julia Fricke und ihr Mann Clemens. Vorherige Versuche waren am Geld gescheitert. Im Juni vor drei Jahren luden die beiden zu einem Informationsabend ein. Vor zwei Jahren zog die Familie nach Hessen. In Burkhardswalde indes ging ihr Wunsch in Erfüllung.

Die Gruft ist aufgeräumt, belüftet, sortiert, konserviert, dokumentiert. Nun ist alles so weit, dass es nicht weiter verkommt. Und das ist schon viel. Die Plünderungen nach dem letzten Krieg, die vielen Jahre des Zerfalls haben der Gruft zugesetzt. Obwohl aufgrund von Geldmangel nichts restauriert wurde, ist viel erreicht. Den Toten ist die Würde zurückgegeben worden. Und wenn irgendwann wieder Geld da ist, kann weitergearbeitet werden. Die Restaurierung des Zinnsarges aus dem 17. Jahrhundert zum Beispiel wäre so eine Aufgabe. Sein jetziger Zustand ist für Rudolf von Bünau nur ein Kompromiss. Auch bei Archäologen und Kunsthistoriker Ströbl bleibt etwas Traurigkeit darüber, am Ende doch zu wenig geschaffen zu haben. Für die Bünau-Familie, die Kirchgemeinde, das Dorf ist es dennoch viel. Rudolf von Bünau spricht von den mannigfaltigen Zeugnissen der Familiengeschichte, die hier in Burkhardswalde zu finden sind. Der Mettmanner ringt mit der Fassung, als er seinen vor neun Jahren und einem Tag verstorbenen Vater erwähnt.

In Weesenstein haben seine Vorfahren 350 Jahre residiert. Bis 1865 war die Gruft in Burkhardswalde die Begräbnisstätte. 16 Holzsärge wurden identifiziert, dazu kommt der Zinnsarg, der wohl der älteste ist, sowie die fünf Kammergräber, die unberührt blieben, da sie sich unter einer unbeschädigten Betonschicht befinden. Von den Bestattungen zwischen 1606 und 1752 sind nur stark verwitterte Reste übrig. Trotzdem haben die Forscher viel entdeckt, was Einblick in das Leben und die Beerdigungskultur gibt. Die Teile einer Totenkrone, die Unverheirateten in den Sarg gelegt wurde, ein Kamm, mit dem der Tote zurecht gemacht wurde und der dann im Sarg blieb, und Inschriften aus Bibelzitaten. Pinseln, absaugen, reinigen – Staunen, das sind wesentliche Tätigkeiten der Forscher. Als Andreas Ströbl in der Gruft einiges zeigt und erklärt, kommt er ob der vielen Grüfte, die er kennt, mit den Jahreszahlen schon mal durcheinander.

Die Gruft vollendet die Schönheit der Kirche in der Höhe und der Tiefe, sagt Pfarrerin Erdmute Gustke. Nach der Sanierung des Kirchturmes ist nun auch der tiefste Punkt würdig. Für die kleine Dorfkirche sind beide Vorhaben zwei wichtige Etappen in der jüngsten Vergangenheit. Entscheidenden Anteil daran hat das Ehepaar Gabriele und Gottfried Köhler. Nicht nur, dass er beim letzten Einsatz den Lübecker Forschern nicht von der Seite wich und seine Frau am Sonnabend den Imbiss organisierte, sie sind einfach „die Leute vor Ort, die mit Herz bei der Sache sind“, wie von Bünau sagte. Ströbl bekam bei seinen Worten in der Kirche keinen Beifall, weil man ja eigentlich in der Kirche nicht klatscht. Bei von Bünau wurde auf die Bänke geklopft, und als er dem Burkhardswalder Ehepaar Köhler Dankeschön für ihren Einsatz sagte, war das Klatschen nicht mehr aufzuhalten. Ein eben in mehrfacher Hinsicht ungewöhnlicher Sonnabend für Burkhardswalde…