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Busse besser als Straßenbahnen?

Als letzte Woche keine Trams auf der Meißner Straße fuhren, lief der Verkehr flüssiger, stellten viele Autofahrer fest.

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© Norbert Millauer

Von Nina Schirmer

Radebeul. Endlich mal kein Gezuckel hinter den Straßenbahnen. Das war das Fazit vieler Radebeuler, nachdem die Trams auf der Meißner Straße mehrere Tage nicht fuhren. Vergangene Woche wurden an vielen Stellen auf Radebeuls Hauptverkehrsader die Gleise saniert. Zusätzlich ließ auch noch die Stadt den Asphalt an mehreren Kreuzungen flicken. Ersatzbusse kutschierten die Fahrgäste anstelle von Straßenbahnen durch die Stadt.

Was nach einer Staufalle mit Ansage klang, kam jedoch ganz anders. Viele Autofahrer hatten das Gefühl, dass der Verkehr auf der sonst so vollen Meißner Straße plötzlich viel flüssiger lief.

„Kein Stau, kein Frust und keine ständig roten Ampeln“, schrieb ein Radebeuler bei Facebook. „Total entspannt“, empfand ein anderer. Bis zu 15 Minuten schneller gehe es morgens in Richtung Dresden. Einige bedauerten regelrecht, dass die Bahnen nach der Baustellenzeit wieder fahren.

Wäre es tatsächlich sinnvoller, die Trams abzuschaffen und Busse zwischen Weinböhla, Coswig und Radebeul einzusetzen? Im Landkreis ist diese Diskussion alle paar Jahre immer mal wieder aufgekocht. Jedes Mal fiel die Entscheidung zugunsten der Straßenbahn aus. 2002 hat sich der Kreistag in einem Grundsatzbeschluss für die Schiene ausgesprochen, insbesondere auf Wunsch der Kommunen Radebeul, Coswig und Weinböhla, sagt Radebeuls Erster Bürgermeister Jörg Müller (parteilos).

Seiner Meinung nach hat die Straßenbahn einen unschlagbaren Vorteil: Man kann ohne Umsteigen nach Dresden fahren. Würde man sie durch Busse ersetzen, müssten die Fahrgäste an der Gleisschleife in Radebeul-Ost umsteigen, was erheblich Zeit kostet.

Das Problem derzeit sei der schlechte Zustand der Gleise an mehreren Stellen im Stadtgebiet. So sieht es auch Falk Lösch, Sprecher der Dresdner Verkehrsbetriebe, Wenn die Schienen saniert wären, könnten auch die Bahnen 50 fahren und die Autos müssten nicht hinterherschleichen. Einen ähnlichen Effekt habe es auf der Leipziger Straße in Dresden gegeben. Seit deren Ausbau habe sich die Durchschnittsgeschwindigkeit für den gesamten Verkehr erhöht. Die Bahnen würden dort jetzt so zügig rollen, dass Autofahrer durch sie nicht behindert werden, so Lösch.

Dass viele Radebeuler vergangene Woche den Eindruck hatten, ohne Straßenbahn laufe der Verkehr auf der Meißner Straße besser, hat laut einem Experten noch andere Gründe. Udo Becker ist Professor für Verkehrsökologie am Institut für Verkehrsplanung und Straßenverkehr der TU Dresden. Seiner Meinung nach hatte der flüssigere Verkehr nichts mit den Ersatzbussen zu tun. Er vermutet, dass durch die angekündigten Baustellen von vornherein weniger Verkehr unterwegs war.

„Die Leute passen sich immer an“, sagt der Wissenschaftler. Wahrscheinlich sei, dass einige während der Bauzeit auf die S-Bahn umgestiegen sind, mit dem Auto auf der anderen Elbseite fuhren oder als Einkaufsziel ausweichend Meißen anstelle von Dresden anpeilten.

Der Verkehrsökonom gibt Straßenbahnen ebenfalls den Vorrang. Grundsätzlich gelte, dass Busse immer Platzkapazität im Straßenraum einnehmen, sagt er. Straßenbahnen hingegen nur manchmal, weil Autos und Trams an vielen Stellen auch nebeneinander fahren können. Der entscheidende Vorteil sei aber, dass in eine Straßenbahn viel mehr Leute passen. Und je mehr Leute den ÖPNV nutzen, umso weniger verstopfen die Straße mit ihren Autos. „Insofern sollten die Radebeuler drei Halleluja rufen für jede Straßenbahn, die fährt“, sagt Becker. Um Hauptverkehrsadern wie die Meißner Straße zu entlasten, sei es wichtig, Alternativen anzubieten. Mehr Radwege zum Beispiel. „Ein gutes Radwegnetz hilft allen“, so Becker. Den Radfahrern, die dort unterwegs sind, und auch den Autofahrern, weil auf den Straßen weniger los ist, wenn mehr Leute aufs Rad umsteigen. Oder auch ein Fahrgemeinschaftskonzept. „Carsharing sorgt auch gleich für mehr freie Parkplätze“, sagt der Experte. Nicht nur Radebeul, sondern ganz Deutschland setze sich noch viel zu wenig für solche Konzepte ein. Wo viel Stau ist, zusätzliche Straßenspuren zu planen, sei langfristig keine Lösung, sagt Becker. „Wann immer man dem Verkehr Platz gibt, werden die Leute ihn nutzen.“

Der Landkreis zahlt für den halbstündigen Takt der Linie 4 bis Weinböhla jährlich Zuschüsse von 680 000 Euro an die DVB. 34 000 Euro legt die Stadt Radebeul für die Taktverdichtung auf zehn Minuten bis Radebeul-West noch drauf. Vom Verkehrsverbund Oberes Elbtal kommen 70 000 Euro für den Straßenbahnverkehr. Im kommenden Jahr sollen die Gleise in Radebeul-Mitte saniert werden. Für den nächsten maroden Schienenabschnitt im Osten der Stadt läuft derzeit der Erörterungstermin.