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Chefermittler sagt zum Fall Wunderlich aus

Im Prozess um den 30 Jahre zurückliegenden Mord berichtet ein Kriminalist zu Details der Tätersuche. 10 000 Personen wurden überprüft.

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© DAVIDS/Ralph Koehler

Von Martin Kloth

Der Treffer kam wie ein Blitz aus heiterem Himmel. „Der DNA-Treffer – da waren wir erstaunt“, sagte Kriminalist Enrico Petzold. Denn die Fahnder hatten den jetzt Angeklagten im einzigen laufenden Prozess zu einem Mord aus der DDR-Zeit jahrelang nicht auf dem Radar. Helmut S. sei nicht in den 14 Untersuchungskomplexen mit rund 10 000 Personen aufgeführt gewesen, die zu einem Großteil bei der Tätersuche aktiv überprüft worden sind, sagte der Leitende Ermittler Petzold am Mittwoch.

„Er war nicht auf dem Schirm“, ergänzte der Kriminalhauptkommissar am Mittwoch nach seiner Zeugenaussage vor der Schwurgerichtskammer am Landgericht Zwickau. Eigentlich hätte der Tatverdächtige im Komplex 4 „Straftäter“ aufgeführt sein müssen. Dass dem nicht so war, dafür gebe es verschiedene Gründe, sagte Petzold. Vor dem Ende des Verfahrens werde er sich dazu aber nicht äußern.

Dem 62 Jahre alten Angeklagten wird zur Last gelegt, die damals 18 Jahre alte Heike Wunderlich am 9. April 1987 nahe Plauen vergewaltigt und erdrosselt zu haben. Zu den Tatvorwürfen hat sich der Frührentner aus dem thüringischen Gera nicht geäußert.

Dem Angeklagten war die Polizei im vergangenen Jahr dank verbesserter Methoden bei der DNA-Analyse auf die Spur gekommen. Sein genetischer Fingerabdruck war in der Datenbank gespeichert. „Wenn es die DNA-Untersuchungen mit dem Stand heute nicht geben würde, dann hätten wir 2016 nicht den Herrn S. ermitteln können“, sagte Petzold. Der gebürtige Zwickauer habe dann fast alle Punkte einer Täteranalyse erfüllt.

Alle Spuren neu überprüft

In seiner Zeugenaussage stellte der Kriminalist klar, dass nach dem Datenbanktreffer des Tatverdächtigen alle zuvor genommenen DNA-Proben von überprüften Personen mit der gleichen Analysemethode noch einmal untersucht worden seien. Vor Gericht erläuterte Petzold, wie umfangreich in den letzten 15 Jahren noch einmal allen 1987 und 1988 gefundenen Spuren nachgegangen und Personen von damals ausfindig gemacht worden sind.

Angler, Briefträger, Gaststätten- und Disco-Besucher oder auch Mitglieder zahlreicher Vereine und der Gesellschaft für Sport und Technik (GST) bis hin zu nicht öffentlichen Todesfällen wie dem Selbstmord eines Mannes – nach Ansicht von Petzold wurde nichts ausgelassen. „Das, was möglich war, haben wir gemacht.“ Die Ergebnisse füllen rund 140 Aktenordner.

In seiner Zeugenaussage erinnerte sich Petzold erstaunlich präzise an zahlreiche Details. „Wenn sie 15 Jahre an dem Fall arbeiten, wachsen sie da mit rein. Man muss sich in dem Verfahren auskennen“, sagte der 48-jährige Familienvater. 2001 hatte er die Ermittlungen übernommen und seither hartnäckig daran gearbeitet. „Wenn eine Tat ungeklärt ist und es gibt Ermittlungsansätze, versucht man, dem nachzugehen“, berichtete er. „Man hat sich immer mal was gewünscht, aber dass das so eintrifft, ist Wissenschaft und Technik zu verdanken.“

Ende 2016 hat Petzold vom Bund der Kriminalbeamten Sachsen den Paul-Köttig-Preis für seinen Ermittlungserfolg bekommen. „Das ist eine Anerkennung von den Kollegen, die mich vorgeschlagen haben“, sagte der Beamte. Für ihn stünden am Ende der Ermittlungen jedoch zwei andere Ereignisse im Vordergrund: „Für mich war in dem Verfahren nicht nur die Festnahme ein wichtiges Ereignis, sondern auch die Überbringung der Nachricht an die Familie des Opfers, dass wir möglicherweise den haben, der ihre Tochter umgebracht hat.“ (dpa)