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Chemnitzer Straße war Vorstadt

Zwei Heimatfreunde haben alte Aufzeichnungen von der Kurrentschrift ins heute Lesbare übertragen. Das war knifflig. Es gab Streit – der Sache wegen.

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© Dietmar Thomas

Leisnig. Über Carl Friedrich Quell, der von 1767 bis 1843 lebte, ist wenig bekannt. Nachweislich hat er vier Broschüren verfasst, eine beschreibt die Umgebung Leisnigs zu seiner Zeit. Dabei war der Stadtkern durch die Stadttore eng bemessen. Schon der Lindenplatz und die Chemnitzer Straße, die heute ins Zentrum führt, war damals Vorstadt. Wie es da bis in die Ortsteile hinein aussah, beschreibt Quell – allerdings in Kurrentschrift. Die kann heute kaum noch jemand entziffern.

Genau das war auch der Ausgangspunkt. „Sabine Rötzsch hat auf Burg Mildenstein über der Quell-Broschüre gesessen und gestöhnt, dass sie die Schrift nicht lesen kann“, erzählt Renate Simon vom Geschichts- und Heimatverein. Sie selbst interessiert sich sehr für alte Schriften und sei daraufhin vom Ehrgeiz gepackt gewesen, das alte Dokument zu übersetzen. Vereinsfreund Ulf-Dietmar Thiele konnte sie damit anstecken. Und so haben beide monatelang über der Kurrentschrift gebrütet, die Lupen bemüht, sich beinahe die Augen verstaucht. Über manche Maßangabe seien sie gestolpert, über die Rechtschreibung nach eigenem Ermessen des Autors ohnehin. Über manches Wort und manchen Buchstaben seien sie in Streit geraten – konstruktiven, wie beide am Ende der Arbeit versichern. „Es ist uns darum gegangen, das Wissen von damals nutzbar zu machen“, erklären Renate Simon und Ulf-Dietmar Thiele. Ein Streit hat offenbar damals auch zu der Ist-Zustandsbeschreibung geführt. Jeder Zentimeter Erde, jedes Fleckchen Gras habe jemandem gehört, sei von jemandem genutzt worden. Über die Eigentumsverhältnisse sei häufig Unfrieden entstanden. Daher, vermuten die Heimatfreunde, muss Carl Friedrich Quell von der damaligen Stadtverwaltung beauftragt worden sein, aufzuschreiben, ob Flächen der Stadt, der Kirche oder Privatleuten gehören. Vielfach gibt es Zeichnungen zu den Örtlichkeiten.

Manches hat selbst die Heimatfreunde mit ihrem großen Geschichtswissen überrascht. Einiges davon wird Renate Simon gewiss künftig bei den von ihr gestalteten Stadtführungen preisgeben. „Interessant ist die Übersetzung sicher für alle, die sich für ihre Heimat interessieren und die in den ehemaligen Vorstädten wohnen“, meinen die Autoren. Die Quell-Übersetzung „Die Umgebung Leisnigs“ ist für 15 Euro zum Fest erhältlich und danach im Büro des Geschichtsvereins im Rathaus. (DA/sig)