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Da muss jeder Griff sitzen

In Zügen und auf Bahnhöfen kommt es immer öfter zu Gewaltattacken. Die Sicherheitskräfte absolvieren deshalb spezielle Trainings.

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© dpa

Von Josephine Heinze

Lass dir Zeit, geh alle Schritte noch mal durch. Ich greife dich ganz langsam an“, sagt Stefan Mederake. Sekunden später liegt er auf dem Boden, seine Arme auf dem Rücken, die Hände in Fesseln. „Das war schon ganz gut, gleich noch einmal.“ Der 32-Jährige lässt sich von Berufs wegen mehrfach täglich auf die Matte legen. Seine Angreifer sind Sicherheitskräfte bei der Deutschen Bahn.

Seit sieben Jahren ist Mederake ihr Teamleiter und Ausbilder. Ein Großteil seiner Arbeit ist Training für Mitarbeiter wie der Kurs „Selbstverteidigung und Einsatzmittel“. Denn in den letzten Jahren haben die Angriffe auf das Bahn-Personal kontinuierlich zugenommen – jährlich um fast ein Drittel. „2017 konnten wir die Zahlen erstmals nahezu stabilisieren“, sagt Holger Bajohra, Sprecher bei der Bahn.

Generell scheint das Klima in Zügen und an Bahnhöfen rauer zu werden und das nicht nur gegenüber Bahnmitarbeitern. Die Bundespolizei registrierte einen Anstieg von Körperverletzungen auf Bahnhöfen und in Zügen. Waren es 2013 in Sachsen noch 70 in Zügen und 335 an Haltepunkten und Bahnhöfen, sind diese Zahlen 2017 auf 96 beziehungsweise 456 gestiegen.

Deutschlandweit registrierte die Bahn im vergangenen Jahr etwa 2 300 Übergriffe mit Verletzungen auf ihre Mitarbeiter. „Jeder Angriff ist einer zu viel“, sagt Bajohra. Nicht bei allen Attacken gebe es eine körperliche Verletzung. Oft würden die Mitarbeiter auch beschimpft oder angespuckt.

Von den Sicherheitskräften, die Stefan Mederake schult, arbeiten 350 in der Region Südost, also in Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen. Sie sind an Bahnhöfen stationiert oder sorgen an Haltepunkten für Sicherheit. Manchmal fahren sie auch in Zügen mit, etwa wenn besonders viele Menschen unterwegs sind und das Potenzial für aggressive Stimmung steigt. Heute frischen die Mitarbeiter ihr Wissen auf: Wie reagiere ich bei einem Angriff richtig?

Zwei Trainer zeigen die Schritte: das Entwaffnen und Niederringen eines Angreifers, Anlegen von Handschellen, der Einsatz von Abwehrspray, das Nutzen eines Teleskopschlagstocks. Was die Sicherheitskräfte rein rechtlich dürfen und was nicht, lernen sie vor der Praxis im Theorieteil.

Sechs Tage Schulung im Jahr sind für Sicherheitskräfte Pflicht. In diesem Umfang gibt es die systematischen Trainings seit 2008 – seit sich die „gefühlte Sicherheitslage“ angespannt habe, sagt Bajohra. (dpa)