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Das Eine-Million-Euro-Häuschen

Die Stadtwerke Niesky geben 2016 viel Geld für ein kleines Gebäude aus. Doch lohnt sich diese Investition?

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© André Schulze

Von Alexander Kempf

Niesky. Erst am Montag haben die Stadtwerke Niesky von Kämmerer Steffen Kluske gute Noten erhalten. Die Personalkosten des städtischen Unternehmens sind 2015 niedriger als geplant ausgefallen, und auch bei den Materialausgaben ist weniger Geld nötig gewesen, als zunächst angenommen. Zwar sollen sich die sonstigen Aufwendungen verdoppelt haben, da man sich Berater ins Haus geholt hat. Doch auch Beate Hoffmann, die als Nieskys Oberbürgermeisterin zugleich im Aufsichtsrat der Stadtwerke sitzt, gefallen die Zahlen. „Wir sind mit der Situation in dem kommunalen Unternehmen sehr zufrieden“, sagt sie.

Das geplante Schalthaus soll eine Grundfläche von rund sechs mal dreizehn Metern haben. Innen wird allerhand moderne Steuer- und Sicherheitstechnik installiert.
Das geplante Schalthaus soll eine Grundfläche von rund sechs mal dreizehn Metern haben. Innen wird allerhand moderne Steuer- und Sicherheitstechnik installiert. © Grafik: SWN

Damit das so bleibt, sieht Geschäftsführer Holger Ludwig Handlungsbedarf. Denn 2016 will sein Unternehmen viel Geld in die Hand nehmen, um sich auch für die Zukunft gut aufzustellen. Am Ortsausgang in Richtung Rietschen soll von April bis Oktober für rund eine Million Euro ein neues Gebäude entstehen. An der Ecke Muskauer Straße und Trebuser Straße ist ein neues Schalthaus geplant. „Der Bau einer eigenen Mittelspannungsschaltanlage ist aus unserer Sicht längst überfällig. In den letzten Jahren haben sich sowohl die gesetzlichen als auch politischen Rahmenbedingungen vollständig geändert und sich ein Wandel zu einer dezentralen Energieversorgung vollzogen“, erklärt Holger Ludwig die Beweggründe für den Bau.

Die Stadtwerke Niesky wollen sich besser für die Zukunft aufstellen und verstehen das Schalthaus „als einen wichtigen Baustein“ für eine zukunftsfähige und sichere Stromversorgung des Versorgungsgebietes. Insgesamt haben Holger Ludwig und seine Kollegen sogar Ausgaben in Höhe von 1,6 Millionen Euro für das Vorhaben veranschlagt. Doch wofür gibt das städtische Unternehmen eigentlich so viel Geld aus? Zunächst einmal für mehr Unabhängigkeit. Gegenwärtig ist das Stromnetz der Stadtwerke in einem Umspannwerk der Enso Netz GmbH an sechs Zellen angeschlossen. Steht das geplante Schalthaus, braucht es nur noch zwei solcher Schaltzellen. Das spart auf lange Sicht Geld.

Als die Enso Netz GmbH zuletzt Gebühren erhöht hat, sind diese von den Stadtwerken weitergegeben worden. Doch offensichtlich ist dieses Einsparpotenzial nicht der einzige Grund für die Investition gewesen. „Sowohl für die Anschlusskabel als auch die Schaltzellen ist ein Ersatz mittelfristig geplant gewesen“, teilt Holger Ludwig mit. Die Stadtwerke haben also ohnehin Modernisierungsbedarf gesehen. „Mit der Errichtung des Schalthauses wird der Anschluss des Stromnetzes der Stadt Niesky technisch und regulatorisch erneuert beziehungsweise optimiert“, bestätigt der Geschäftsführer des Unternehmens.

Dass der Neubau im Nieskyer Norden entsteht, verwundert nicht. Denn dort laufen bereits eine Menge wichtiger Leitungen entlang. Die Stadtwerke sprechen von Versorgungsringen. „In einem Schalthaus wird der Strom auf mehrere Versorgungsringe in einem Netzgebiet verteilt, der dann in den Trafostationen im Stadtgebiet von Mittelspannung (10000 Volt) auf Niederspannung (400 Volt) transformiert wird und über das Niederspannungsnetz auf die Netzanschlüsse zu den Endverbrauchern gelangt“, erklärt Holger Ludwig die technisch anspruchsvolle Anlage. Die Nieskyer wird in erster Linie interessieren, ob ihr Strom auch weiter zuverlässig und möglichst günstig aus der Steckdose kommt.

Tatsächlich gibt das neue Schalthaus den Stadtwerken wohl auch mehr Möglichkeiten, die Notversorgung im Stadtgebiet zu verbessern. „Mit dem Schalthaus erhalten wir als Netzbetreiber einen zentralen Knotenpunkt, von wo aus die Energieversorgung für das Netz in Niesky verteilt wird. Dies gibt uns die Möglichkeit, hier Lösungen für eine Notversorgung zu prüfen und zu entwickeln“, so Holger Ludwig. Machbar sei aber immer nur das, was finanzierbar ist. Außerdem würden dem Unternehmen durch die Stromnetzregulierung viele Vorgaben gemacht.

Besonders anfällig sei das Nieskyer Netz in der Vergangenheit denn auch nicht gewesen, lautet die Position von Holger Ludwig. „Die Schadenshäufigkeit ist bei uns nicht anders als bei anderen Netzbetreibern“, sagt er, „Alle müssen einmal jährlich eine Schadensstatistik bei der Bundesnetzagentur abgeben.“ Nur bei extremen Auffälligkeiten werde dann tiefergehend geprüft. „Dies war bei uns bisher nicht der Fall“, so Holger Ludwig. Kommt es doch mal zu Ausfällen, sei das oft extremen Witterungseinflüssen oder Ereignissen in umliegenden Netzgebieten geschuldet, die zu Störungen oder Schäden im Nieskyer Netz führen.

Verschlechtern wird sich die Netzsicherheit mit dem modernen Schalthaus sicher nicht. Doch stehen Aufwand und Nutzen in einer schrumpfenden Region überhaupt im Verhältnis? Wenn Holger Ludwig diese Frage nicht mit Ja beantworten würde, hätten die Stadtwerke den Entschluss wohl kaum gefasst. Er rechnet aber nicht nur mit weniger Ausgaben an die Enso Netz GmbH für vorgelagerte Dienstleistungen, sondern ist der Meinung, dass durch die Stadtnähe künftig auch Netzverluste minimiert werden können.

Ob die Rechnung am Ende wirklich aufgeht, hängt natürlich entscheidend davon ab, wie viel Strom künftig im Nieskyer Netz verbraucht wird. Schwer vorherzusagen ist auch, wie sich die Zahl der Einspeisungen in das Netz verändern wird. In den vergangenen Jahren sind viele Photovoltaik-Anlagen oder Blockheizkraftwerke, die auch Strom erzeugen, hinzugekommen. Die Rechnung weist also durchaus Unbekannte auf und dürfte in der Zukunft noch komplexer werden.

Die gestiegenen Kosten für Berater bei den Stadtwerken im Jahr 2015 sind darauf aber nicht zurückzuführen. Externe Hilfe hat sich das Unternehmen wegen des Eisstadions ins Haus geholt. Das ist am 17. Januar nach Auflösung der Sport und Freizeit Niesky GmbH gemeinsam mit dem Freibad in das Eigentum der Stadt übergegangen. Damit dies gelingt, hat es die Hilfe von außen gebraucht.