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Das Erbe mehr schätzen

Der Restaurator Rayk Grieger hat schon viele historische Farben ans Licht gebracht. Im Jacobi-Grufthaus fing alles an.

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© Pawel Sosnowski/80studio.net

Von Ines Eifler

Görlitz. Was für ein Schlaraffenland! Das dachte Rayk Grieger, als er 2004 nach Görlitz kam. Damals studierte er noch Restaurierung in Erfurt und suchte nach einem geeigneten Objekt für seine Diplomarbeit. In Dresden war seine Suche erfolglos, aber weil er Görlitz von einem früheren Aufenthalt kannte, rief er kurzerhand bei der Unteren Denkmalschutzbehörde an. Hier wurde er mit offenen Armen empfangen und konnte gleich zwischen sechs denkmalgeschützten Objekten wählen, darunter das Jacobi-Grufthaus auf dem Nikolaifriedhof.

Inzwischen ist er nicht nur derjenige, der dieses Grufthaus besser kennt als jeder andere, weil er sich damals dafür entschied. Inzwischen kann Rayk Grieger, der ursprünglich aus der Nähe von Freiberg stammt, auch auf über zehn Jahre als freiberuflicher Restaurator für Wandmalerei und Architekturoberflächen in Görlitz zurückblicken. „Ich habe mich dafür entschieden hierzubleiben“, sagt er. In den ersten Jahren habe es sich so ergeben und er habe das nicht hinterfragt. „Aber vor etwa vier Jahren hat es klick gemacht.“ Da hatte er schon Familie gegründet, sein kleiner Sohn war zwei Jahre alt. „Es war plötzlich so ein Gefühl: Hier gehöre ich hin.“

Wer öfter Baustellen besucht, begegnen Rayk Grieger oder seinem Namen häufig. Bei der Sanierung des Kaisertrutzes, des Barockhauses Neißstraße 30, des Biblischen Hauses oder am Rathaus hat er als Restaurator mitgewirkt. Im Umland zählen das Barockschloss Rammenau, Schloss Rochlitz, das Kloster Marienthal, die Villa Pückler in Bad Muskau und das Zittauer Stadtmuseum zu den Objekten, an denen er gearbeitet hat. An zahlreichen Görlitzer Gebäuden, darunter neben vielen Mietshäusern auch in der Stadtbibliothek oder im Augustum-Annen-Gymnasium, war er für die Befunduntersuchungen zuständig, auf deren Basis historische Farbanstriche erneuert wurden. Sein bisher größtes Projekt war die Restaurierung der inneren Kuppeldecke der Synagoge. „Die goldenen Löwen stammen nicht von uns“, sagt Rayk Grieger. Aber die Vergoldung der die gesamte Halle überspannenden wabengemusterten Decke war sein Projekt, das er 2013 mit einem Team von Restauratoren und Malern in nur acht Wochen umsetzte. Später restaurierte er auch den Thoraschrein, „das Herzstück“ für Rayk Grieger.

Auf dem Nikolaifriedhof aber hat alles angefangen. „Das Grufthaus hat mich damals sofort fasziniert“, erzählt der heute 39-Jährige. Hier hatte er die Chance, alle Arbeiten eines Restaurators an einem einzigen Objekt umzusetzen. Lange hatte sich niemand mit dem Grufthaus beschäftigt, bis Rayk Grieger hier Bauforschung betrieb und die Befunde der historischen Farbigkeit untersuchte. Dass die Renaissance-Malerei, die Jahrhunderte hinter einem barocken Epitaph geschlummert hatte, heute wieder in kräftigen Farben zu sehen ist, verdankt sich seiner Arbeit. Und natürlich der Altstadtmillion, aus der Mittel dafür flossen.

Ist es bei öffentlichen Gebäuden, besonders in der Altstadt, selbstverständlich, den historischen Wert durch Restaurierungen zu erhöhen, empfindet mancher private Investor den Denkmalschutz als Last und fürchtet sich vor ungeplanten Kosten. Für Rayk Grieger ist es deshalb manchmal eine Herausforderung, wenn er zwischen dem Wunsch der Behörden und dem des Bauherrn steht. „Man muss sensibel sein und Kompromisse finden“, sagt er. Es sei verständlich, wenn jemand in seinem Wohnzimmer nicht 20 verschiedene freigelegte Farbbefunde haben möchte. Dann könne man einen Teil sichtbar lassen und anderes still konservieren.

Manchmal gelinge es aber auch, einen Bauherrn von der verborgenen Schönheit seines Hauses zu überzeugen. „Das ist dann ein besonderer Erfolg“, sagt Rayk Grieger. Denn das ist es, was er sich insgesamt für Görlitz wünscht: „Mehr Bewusstsein für unsere Schätze und dafür, dass wir mitten in einem einzigartigen Erbe leben, und das praktisch zum Nulltarif.“