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Das kleine Museum im Schaufenster

Über 40 Ladenlokale in der Bischofswerdaer Innenstadt stehen leer. Für die Bewahrung der Stadtgeschichte hatten engagierte Bürger da eine Idee.

Von Ingolf Reinsch
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Eberhard Lehnert (vorn) sowie Olaf Schreier (hinten links) und Holger Scheumann gestalten die Schaufenster im ehemaligen „Traumpalais“. Zum Quartett gehört noch Hagen Conzendorf.
Eberhard Lehnert (vorn) sowie Olaf Schreier (hinten links) und Holger Scheumann gestalten die Schaufenster im ehemaligen „Traumpalais“. Zum Quartett gehört noch Hagen Conzendorf. © Steffen Unger

Bischofswerda. Der Schriftzug „Traumpalais“ ist noch über dem Ladenlokal an der Kirchstraße zu lesen. Nachdem Heidemarie und Peter Bergmann 2008 nach fast 20 Jahren ihr Bettenhaus aus Altersgründen aufgaben, wechselten zweimal die Mieter. Zuletzt standen die Räume längere Zeit leer. Jetzt nutzt der Museums- und Geschichtsverein die Schaufenster, um Ausschnitte aus der Stadtgeschichte zu präsentieren. Vor wenigen Tagen erst wurde neu dekoriert. Ein Schaufenster illustriert die wechselvolle Geschichte des Kulturhauses, deren Vorgänger zunächst ein Schieß-, später das Schützen- und Volkshaus waren. Neben einer Zeitleiste sieht man etliche Fotos aus der Geschichte des Hauses – einstiger Glanz und jetzt der Verfall. Ein weiteres Schaufenster erinnert an den Bischofswerdaer Maler Jens Hackel, dessen Todestag sich an diesem Donnerstag zum achten Mal jährte. Zu Beginn dieses Jahres übernahm der Verein einen großen Teil seines Nachlasses von den Eltern des Künstlers per Schenkungsvertrag (die SZ berichtete).

Schaufenster als Ausstellungsfläche sind allemal besser als „tote“ Fenster an den Geschäftsstraßen. Eine Zählung der SZ zu Jahresbeginn 2018 ergab in der Bischofswerdaer Innenstadt über 40 ungenutzte Geschäfte, eine Leerstandsquote von fast einem Drittel. Mehrmals im Jahr wechselt der Museums- und Geschichtsverein die Exponate. Zuletzt erinnerte er an den Bischofswerdaer Künstler Hellmuth Muntschick. Hinter den gestalteten Fenstern steckt viel ehrenamtliche Arbeit. Gezählt habe er die Stunden noch nie, sagt Vereinsvorsitzender Eberhard Lehnert. Außer ihm engagieren sich besonders Hagen Conzendorf und Olaf Schreier – beide betreuen das Archiv des Vereines – sowie Werbefachmann Holger Scheumann, der ebenfalls dem Museums- und Geschichtsverein angehört, für die Wechselausstellungen in den Schaufenstern. Sehenswert und informativ, sagen Passanten, die sich die Zeit nehmen, vor dem „Traumpalais“ mal stehen zu bleiben, um zu schauen.

Kein Ersatz für Stadtmuseum

Seit der Vereinsgründung kämpfen Bürger aus Bischofswerda und umliegenden Gemeinden dafür, dass die Stadt wieder ein Museum bekommt. Museen sind nicht nur Stätten der Kultur, sondern auch der Bildung und der Identifikation von Einwohnern mit ihrem Ort. Die Ausstellungen im Schaufenster sind ein weiterer Schritt auf einem sehr langen Weg. Ersetzen können sie ein Stadtmuseum aber nicht.

Davon ist Bischofswerda noch immer weit entfernt. Im neugestalteten „Bischofssitz“ an der Dresdner Straße soll der Verein eine kleine Nische in der Carl-Lohse-Galerie nutzen können. Wenige Quadratmeter für 792 Jahre Stadtgeschichte. Glücklich ist man damit nicht. Aber man arrangiert sich mit der Situation, möchte die Fläche nutzen, um den Zinnschatz der deutschlandweit einmaligen Junggesellenfraternität zu präsentieren. Das Haus ist in Privatbesitz, die Stadt ist Mieter. Damit stellen sich schwierige versicherungsrechtliche Fragen, sagt Eberhard Lehnert. Diese haben Auswirkungen auf die Ausstattung der künftigen Museumsnische. Je nachdem, was die Versicherung fordert, um die wertvollen Schätze zuverlässig aufzubewahren, geht es beispielsweise um die richtigen Vitrinen. Recherchen des Vereins ergaben, dass die Preise je nach Glas zwischen 1 500 und 20 000 für eine Vitrine liegen. Stadt und Museumsverein sind auch über die Sicherung im Gespräch, erst diese Woche wieder. Wann der Museumsverein den Raum in der Galerie einrichten kann, ist allerdings noch ungewiss.