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Das Ladensterben geht weiter

In einem Traditionsgeschäft am Markt geht das Licht aus. Es ist nicht das einzige. Der Einzelhandel hat es schwer in der Kleinstadt.

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Von Jürgen Müller

Lommatzsch. Ein Geschäft im Markt in Lommatzsch in bester Lage, das halten viele für einen Hauptgewinn. Und so mancher, der im Schreibwarenladen von Karla Rußeck Lotto spielte, hoffte auf einen Volltreffer. Doch damit ist es jetzt vorbei. Das Schreibwarengeschäft am Markt hat nach 25 Jahren geschlossen. „Die Umstände haben dazu geführt, dass unser Konzept nicht mehr funktioniert. Wir bedauern es sehr, Sie nicht mehr bedienen zu können, wir waren gern für Sie da“, hat Inhaberin Karla Rußeck im Schaufenster geschrieben. „Uns ist ein Geschäftsfeld weggebrochen. Dadurch konnte ich meine Angestellte nicht mehr bezahlen.

Kein Geschäft mehr mit der Drogerie zu machen. Das Aus kam im März 2016.
Kein Geschäft mehr mit der Drogerie zu machen. Das Aus kam im März 2016.
In bester Lage, aber seit Jahren dicht: das Rundfunk- und Fernsehgeschäft.
In bester Lage, aber seit Jahren dicht: das Rundfunk- und Fernsehgeschäft.

Das Geschäft allein zu betreiben und jede Woche 70, 80 Stunden zu arbeiten, das geht nicht. Da habe ich die Reißleine gezogen“, sagt die 55-Jährige. Zudem habe es Probleme mit der Krankenkasse gegeben, Sie habe in die private Versicherung wechseln sollen. Schon seit einem Jahr habe sie mit dem Entschluss gekämpft, den Laden dicht zu machen. „Es ist mir nicht leicht gefallen, die Arbeit hat mir viel Spaß gemacht. Aber wenn es finanziell nicht mehr geht, muss man die Konsequenzen ziehen“, sagt Karla Rußeck. Sie möchte den 75 Quadratmeter großen Gewerberaum vermieten. Ihr schwebt ein Schreibwaren- und Computerladen vor. Derzeit ist sie auf der Suche nach Interessenten. Fündig wurde sie noch nicht. Sie selbst möchte wieder als Angestellte im Handel arbeiten.

Ob sich jemand findet, ist derzeit unklar und wohl auch wenig wahrscheinlich. Denn der Einzelhandel hat es schwer in Lommatzsch, das Ladensterben geht weiter. Selbst eine exzellente Lage am Markt hat das Ende des Schreibwarengeschäftes nicht aufhalten können. Auch andere Händler kämpfen um ihre Existenz oder haben diesen Kampf schon verloren. Ein Geschäft für Radio und Fernsehen ist seit 2007 zu. Inhaber Karl-Heinz Päßler gab das Geschäft, das sich seit 1954 am Markt 3 befand und das er 1981 von seinem Vater übernahm, auf. Mit den Preisen in den großen Supermärkten konnte der kleine Händler nicht mithalten. „Die Kunden kommen zu uns, lassen sich beraten, und kaufen dann doch woanders“, sagte er damals. Bis heute hat sich kein neuer Mieter für das Ladengeschäft gefunden.

Große Pläne hatte auch Kathleen Haubold, als sie im Juni 2013 auf der Meißner Straße eine Drogerie eröffnete. Denn das war eine Marktlücke, nachdem Schlecker pleitegegangen war und auch die Filiale in Lommatzsch schloss. Nicht ganz freiwillig wurde die gelernte Einzelhandelskauffrau selbstständig, sondern weil es zuvor nie mit einem festen Job geklappt hatte, ihr immer nur geringfügige Beschäftigungen angeboten wurden.

Doch im November des gleichen Jahres wurde auch in der früheren Schleckerfiliale erneut eine Drogerie in der Döbelner Straße in Lommatzsch eröffnet. Susanne Hoppstock, eine ehemalige Schlecker-Frau, richtete dort eine Drogerie ein. Mit 203 Quadratmetern Verkaufsfläche ist diese einer der größten Läden in der Stadt. Da nehmen sich die 85 Quadratmeter von Kathleen Haubold, die heute Fritzsche heißt, vergleichsweise bescheiden aus. Zu den Gründen für die Schließung will sich die 29-Jährige nicht äußern. „Ich habe mit dem Thema Lommatzsch abgeschlossen“ , sagt sie nur, und es klingt verbittert. Inzwischen hat sie sich in Nossen eine neue Existenz aufgebaut, betreibt dort einen Einkaufs- und Drogeriemarkt.

Viele Händler in der Lommatzscher Innenstadt beklagten die ständigen Bauarbeiten und die damit verbundenen Straßensperrungen. Susanne Hoppstock spricht von Umsatzeinbußen von bis zu 40 Prozent, als im vergangenen Jahr die Bagger auf der Döbelner Straße anrückten. In der gegenüberliegenden Bäckerei Krell aus Leuben sei damals die Hälfte der Kunden weggeblieben. Doch die Ursache für den Niedergang des Handels in Lommatzsch ist das nicht, sagt zumindest Norbert Rakette, der seit fast 25 Jahren ein Sport- und Spielgeschäft in der Döbelner Straße betreibt. In der Innenstadt fehle ein Zugpferd, das die Kunden anziehe und von dessen Sogwirkung auch die kleinen Händler profitierten, sagt er.

Das Händlersterben ist kein Lommatzscher Problem. Überall gehen Kunden verloren, weil sie ins Internet abwandern. Dort ist 24 Stunden am Tag und 365 Tage im Jahr geöffnet. Um hier mithalten zu können, sind neue Ideen gefragt. Gemeinsame Aktionen beispielsweise. Denn die Anzahl der Kunden, die von Ramschkäufen im Internet enttäuscht sind, wieder zum traditionellen Handel zurückkehren, weil sie Anfassen und Probieren wollen, steigt an. Wenn die Einzelhändler hier entsprechende Angebote machen, kann vielleicht nicht nur in Lommatzsch das Ladensterben aufgehalten werden.

Karla Rußeck jedenfalls ist optimistisch, dass sie das Geschäft bald wieder vermieten kann. „Das ist eine Top-Lage, es gibt keinen besseren Platz in Lommatzsch.“