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„Das muss klappen“

Die Mutter von Christian Reitz hat seinen Triumph vorm TV verfolgt – und sah an seiner Form den Erfolg kommen.

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© Reuters

Von Gabriel Wandt

Diesmal hat sie den Wettkampf samt Schlussjubel ihres Sohnes Christian live vor dem Fernseher mitverfolgt: Bislang hatte Gudrun Reitz das immer vermieden, weil sie der Meinung war, dass Christian sich dann nicht richtig konzentrieren könne. Doch diese Zeiten sind vorbei, und so saß auch die Mutter des Olympia-Gold-Gewinners vor dem Bildschirm und erlebte den Sieg.

„Das muss Gold werden, das muss klappen“, hatte sie ihm schon vor dem Abflug gesagt – und so ein Gefühl gehabt, dass ihr Sohn nach Bronze 2008 und einer verpassten Medaille 2012 diesmal bei Olympia so richtig erfolgreich sein könnte. Und als sie am Sonnabendnachmittag in der Übertragung aus dem brasilianischen Rio de Janeiro verfolgte, wie er eine Serie nach der anderen ruhig und konzentriert schoss, war sie überzeugt, dass es diesmal klappen würde. Gleichzeitig hat sie großen Respekt vor der Leistung ihres Sohnes. „Da ziehe ich meinen Hut“, sagt sie im Gespräch mit der SZ. „Fünf Schüsse in vier Sekunden – da ist nichts mit Zielen“, betont sie. Glückwünsche per SMS gingen danach zwischen Löbau und Rio hin und her – eher aber zwischen Reitz‘ Freundin und seiner Schwester, die noch in der Heimat lebt, erzählt Frau Reitz. Gesprochen hat sie ihren Sohn nach dem Triumph noch nicht, und sie wird darauf auch noch ein paar Tage warten müssen. Zunächst war noch nicht ganz klar, wann Christian Reitz nach Deutschland zurückkehren würde. Nach den ursprünglichen Plänen wollte er aber die offiziellen Abschlussfeiern der Olympischen Spiele schon noch vor Ort erleben. Doch auch danach bleibt nicht viel Zeit für große Feiern: Die Deutschen Meisterschaften stehen vor der Tür, dann folgt die Bundesliga, und so gehen Arbeit und Training für ihn weiter.

Doch dieses Jahr wird mit einem besonderen Höhepunkt enden: Darüber sprach Frau Reitz, und das berichteten Sohn Christian und seine Verlobte Sandra Hornung auch anderen Journalisten: Für Dezember ist die Hochzeit der beiden Sportler geplant – auf einer Karibikinsel.

Bewundernswert, grandios, super

Der Geschwister-Scholl-Schulleiter Dietmar Stephan hat trotz eigener Geburtstagsfeier den Olympiasieg seines ehemaligen Schülers mitverfolgt. „Ich hatte zwar viele Gäste da, habe den Fernseher zum Erstaunen aller aber trotzdem eingeschaltet“, sagt Dietmar Stephan. Er sei stolz auf die Leistung von Christian. Besonders beeindruckt haben ihn Ruhe und Disziplin des Löbauer Sportschützen. „So viele Treffer binnen so kurzer Zeit – das ist schon sehr bewundernswert“, sagt Stephan. Schon zu Schulzeiten habe er Kenntnis von Reitz‘ großem Potenzial gehabt. „Zusammen mit Philipp Wagenitz war er damals schon herausragend“, so der Schulleiter, der die Karriere des früheren Scholl-Schülers von Anfang an bis heute immer mitverfolgt hat. „Mich macht es froh, wenn jemand auf solch hohem Niveau ankommt und das immer wieder bestätigen kann“, sagt Dietmar Stephan.

Ralph Martin, Geschäftsführer des Sächsischen Schützenbundes, hat immer gehofft, dass es für Christian Reitz endlich einmal zu einer Goldmedaille bei den Olympischen Spielen reichen würde. „Er hat es endlich verdient“, sagt der Geschäftsführer des Sächsischen Schützenbundes, kurz SSB. Ab und zu habe er noch mit Reitz Kontakt. „Wir kennen uns von früher und schreiben uns E-Mails oder telefonieren“, sagt Martin. Das haben beide auch nach Reitz‘ Bronzemedaille bei den Spielen 2008 in Peking und nach seinem sechsten Platz 2012 in London getan. Diesmal ist Martin besonders froh darüber, dass Christian Reitz solch eine souveräne Leistung mit der Schnellfeuerpistole gezeigt hat. Alle Schießwettbewerbe hat der SSB-Geschäftsführer mitverfolgt, musste dafür aber Opfer bringen. „Meinen Lebensrhythmus habe ich nach den Finalübertragungen gerichtet“, sagt Martin. Bereut habe er es nicht. Immerhin hätten Deutschlands Sportschützen das beste Olympiaergebnis in der Geschichte des gesamten Deutschen Schützenbundes abgeliefert: „Es waren hochgradig spannende Wettbewerbe“.

Löbaus Oberbürgermeister Dietmar Buchholz (parteilos) hat den vergangenen Sonnabend ebenfalls in seinem Wohnzimmer vor dem TV-Gerät verbracht und es sich nicht nehmen lassen, Christian Reiz anzufeuern. „Ich habe mit Begeisterung mitgefiebert“, so Buchholz. Am Montag habe er Reitz direkt seine Glückwünsche gesendet und ihn zum nächsten Neujahrsempfang der Stadt Löbau eingeladen. Buchholz hat Hoffnung, dass Reiz dann einen kurzen Abstecher in seine Geburtsstadt macht. So, wie er es bereits nach dem Gewinn der Bronzemedaille in Peking getan hat. Auch damals ist Reitz einer Einladung der Stadtverantwortlichen gefolgt und hat sich in das Goldene Buch der Stadt Löbau eingetragen.

Manfred Simon, selbst aktiver und erfolgreicher Sportschütze, weiß, wie scharf geschossen wird: Erst kürzlich ist der Ehemann der früheren Linken-Politikerin Bettina Simon deutscher Senioren-Vizemeister mit der Sportpistole geworden. Zusammen mit seiner Frau lebt er heute in Dresden. Doch als die Simons noch in Löbau gelebt haben, war Manfred Simon in der Privilegierten Schützengesellschaft der Stadt aktiv. Dort hat er auch den frischgebackenen Olympiasieger Christian Reitz kennengelernt. „Er hatte als damaliger Junior schon internationale Klasse“, sagt Simon. Dass Reitz einmal einen großen Coup, wie etwa einen Olympiasieg landen werde, habe sich angedeutet. „Man konnte seine Entwicklung Jahr für Jahr miterleben“, sagt der erfahrene Sportschütze. Der Gold-Triumph von Rio sei eine grandiose Leistung gewesen, so Simon. Die vielumschriebene Ruhe, die Reitz während des Wettkamps ausgestrahlt habe, sei einfach ein Ausdruck seines Charakters gewesen. „Christian ist ein sehr ruhiger Mensch. Er hat Disziplin und kann sich auf den Punkt genau konzentrieren“, beschreibt Simon das Gold-Geheimnis seines Schützenkollegen.

Marko Weber-Schönherr, Geschäftsführer des Oberlausitzer Kreissportbundes: Die Olympischen Spiele in Rio gehen auch am Geschäftsführer des Oberlausitzer Kreissportbundes nicht vorbei. Doch ausgerechnet den Schießwettbewerb mit Christian Reitz in der Hauptrolle hat Marko Weber-Schönherr nicht mit ansehen können. „Ich war bei einer Hochzeit“, sagt er. Vom Erfolg des gebürtigen Löbauers hat er dennoch schnell Wind bekommen. „Es ist fantastisch. Aber dass Reitz nicht ganz schlecht ist, wissen wir ja“. sagt Weber- Schönherr. Über den Gold-Erfolg freut sich der Geschäftsführer des Kreissportbundes in vielerlei Hinsicht: Zum einen für die Sportart Schießen allgemein und zum anderen natürlich für den Athleten und die Region, aus der er ursprünglich stammt. „Solch ein Erfolg tut der Region Löbau gut“, sagt Weber- Schönherr.

Landkreis-Chef Bernd Lange (CDU) ist sportbegeistert. Deswegen hat er sich auch das Finalschießen um die Goldmedaille von Christian Reitz nicht entgehen lassen. „Er hat eine super Leistung abgeliefert“, so Lange. Beim Sitzen vor dem Fernseher habe ihm am Auftreten des Löbauers etwas ganz Besonderes imponiert. Und zwar dessen ruhige und gelassene Art. „Eben so, wie es bei einem richtigen Oberlausitzer üblich ist“, sagt Landrat Lange.

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Auch wenn Christian Reitz inzwischen weit weg ist: Den Kontakt zur Familie und zu Menschen, die ihm wichtig sind, hält der 29-Jährige weiter aufrecht, sagt seine Mutter. Bei Familienfeiern ist er vor Ort, auch der Kontakt zum Sächsischen Schützenbund sei regelmäßig da. Und auch sein langjähriger Löbauer Trainer Edmund Bader ist unvergessen. Dessen Worte von vor vielen Jahren hat Gudrun Reitz noch im Ohr. Schon in den ersten Trainingsjahren äußerte Bader demnach die Erwartung, dass Christian Reitz eines Tages an internationalen Wettkämpfen teilnehmen und bestimmt auch mal zu Olympia fahren werde. Er habe schon damals ein Leistungsniveau gehabt, mit dem er das habe packen können, so der heute 80-jährige Bader damals. Die Kontakte zur Familie bestehen nach wie vor.

Gudrun Reitz hat mit den sportlichen Erfolgen dann ihren Frieden mit dem besonderen Sport ihres Sohnes gemacht, sagt sie. Heute sieht sie, wie sehr das Training aus ihrem Kind eine Persönlichkeit geformt habe. Daher könne sie heute anderen Müttern nur raten, ihre Kinder in Sportvereinen trainieren zu lassen.

Wann der Olympiasieger wieder nach Löbau kommt, bleibt damit vorerst offen – vielleicht ja zum Neujahrsempfang.