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Das Ruinen-Drama

Die Bimmelbahn ist auf dem Weg nach Kipsdorf. Dort will die Stadt Schandflecke beseitigen – nur gibt’s dafür kein Geld.

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© Egbert Kamprath

Von Mandy Schaks

Osterzgebirge. Es ist ein Jammer, sagt Siegfried Gerhardt. Der Kipsdorfer kann die Ankunft der Weißeritztalbahn im Kurort schon fühlen. Und nicht nur er. Am Wiederaufbau der von der Flut zerstörten Strecke zwischen Dippoldiswalde und Kipsdorf wird emsig gearbeitet. Selbst die Baustelle lockt schon Schaulustige an. Sie stehen an der Strecke, beobachten den Baufortschritt und fotografieren jedes Detail. Was aber, wenn die Bimmelbahn endlich nach 14 Jahren wieder im Bahnhof Kipsdorf einrollt? „Wenn die Leute ankommen und aus der Bahn steigen, fragen sie sich, wo sind wir hier?“, sagt Gerhardt.

Gleich gegenüber vom Bahnhof, direkt an der Bundesstraße B 170, steht die erste Bruchbude, das Halali. Siegfried Gerhardt, ein ausgewiesener Heimatexperte, weiß, dass das sogar mal ein Nobel-Hotel war. Der Waggonbau Dessau nutzte die Herberge als Betriebsferienheim. Doch von dem Glanz ist längst nichts mehr übrig. Seit 25 Jahren steht das markante Haus leer und fällt in sich zusammen. Nur wenige Meter weiter ist der nächste Schandfleck, die Tellkoppe, einst ein gefragtes Ferienheim der DDR-Gewerkschaft FDGB. Auch das Gasthaus hat schon lange keine Gäste mehr gesehen. 1990 gingen hier die Lichter aus. Siegfried Gerhardt sieht nur einen Ausweg: „Die Ruinen müssen weg.“ Dafür habe niemand mehr in Kipsdorf Verständnis.

Auch die Stadt Altenberg sieht das so und ist fest entschlossen, die maroden Häuser wegzuräumen – ehe die Weißeritztalbahn in Kipsdorf ankommt. Bürgermeister Thomas Kirsten (Freie Wähler) hat auch schon Pläne, was er mit den freien Flächen anstellen will, um zugleich den Ort touristisch aufzuwerten. An dem Standort, an dem jetzt noch die Tellkoppe steht, könnte ein Parkplatz errichtet werden, sagt er. Gäste, die mit dem Pkw anreisen, sollen hier auch gleich mit Wandertipps versorgt werden. Am Halali wiederum soll ein öffentlicher Platz mit Touristen-Wandertreff hergerichtet werden.

Bis hierher war es ein weiter und steiniger Weg. Denn die Stadt kann zwar Pläne haben, aber nichts ausrichten, wenn ihr die Immobilien nicht gehören. Das machte die Sache beim Halali und auch bei der Tellkoppe noch etwas komplizierter, weil die Eigentümer ausländische Staatsbürger sind. Inzwischen gelang es aber, sie davon zu überzeugen, dass alles Abwarten nichts mehr bringt. Bei der Tellkoppe sei sich Bürgermeister Kirsten mit der Eigentümerin einig geworden, dass die Stadt das Gebäude abreißen kann. Beim Halali zeichne sich ebenfalls eine Einigung ab.

Die Stadt hatte inzwischen auch schon Fördermittel für den Abriss beantragt. Noch vor einem Jahr schätzte Kirsten die Lage günstig ein. „Fördermittel sind derzeit da. Es wäre deshalb ein Frevel, wenn wir diese Möglichkeit nicht nutzen würden“, sagte er damals. Deshalb war er jetzt wie vom Schlag gerührt, als die Stadt eine Absage erhielt. „Die Fördermittel für den Abriss sind abgelehnt worden“, sagt er und kann das überhaupt nicht nachvollziehen. „Da werden Millionen für den Wiederaufbau der Weißeritztalbahn ausgegeben und dann werden Gelder für den Abriss abgelehnt.“ Das mache doch keinen Sinn. Die Stadt ist gegen den Bescheid in Widerspruch gegangen, hat aber noch keine Antwort erhalten.

Dabei drücken die Tourismus-Region noch mehr unansehnliche Gebäude. Zum Beispiel der ehemalige Fürstenhof in Kipsdorf. Einst war das ganze Gebäude-Ensemble mal ein Hotelstandort, weiß Siegfried Gerhardt. Nach 1945 wurde das Hotelgebäude zu einem Wohnhaus umfunktioniert, damals wurden dort viele Flüchtlinge einquartiert. Das ist aber auch Geschichte. Inzwischen bricht am Wohngebäude das Dach ein, sagt Gerhardt. „Dort kommen wir im Moment nicht weiter“, sagt Kirsten, „weil es Restitutionsansprüche gibt.“ Die Stadtverwaltung arbeite aber an einer Lösung. Nur fragt sich Kirsten: Warum das alles, wenn nicht mit Blick auf die Ankunft der Weißeritztalbahn an einem Strang gezogen wird?