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Das Stammkneipen-Viertel

Die Kneipen im Hechtviertel sträuben sich gegen Moden. Die Wirte im Leonardo und in der Erlenklause wissen, was ihre Gäste wollen.

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Leicht ist es nicht, Wirt im Hechtviertel zu sein. Und das liegt an den Bewohnern selbst. „Die Hechtler sind anders“, sagt der Inhaber vom Leonardo in der Rudolf-Leonhard-Straße, Stefan Pinske. Anders als die Neustädter, meint er. „Die Hechtler tun sich schwer, in eine neue Kneipe zu gehen. Die Neustädter sind da offener.“ Für Pinske ist das aber kein Problem. Denn er und sein Lokal sind im Hechtviertel alles andere als Neulinge. Seit 15 Jahren gibt es das Leonardo. Seit 13 Jahren arbeitet Pinske selbst in dem Laden – erst als Kellner, später als Inhaber. Das Leonardo und Pinske sind Institutionen im Hechtviertel.

Eine andere feste Größe im Viertel ist die Erlenklause an der Ecke Erlenstraße/Johann-Meyer-Straße. Inhaber Karsten Pietsch ist noch länger im Geschäft als Pinske vom Leonardo. 1988 haben seine Eltern das Lokal eröffnet. Von Anfang an half Pietsch als Kellner mit. Vor sieben Jahren übernahm er das Lokal. Seine 70 Jahre alten Eltern stehen ihm zweimal pro Woche zur Seite. Die Frau kocht. „Wir sind ein Familienbetrieb“ sagt der 46-Jährige.

Pietsch betreibt eine Wohngebietskneipe, wie es sie in Dresden nur noch ganz selten gibt. Jeden Donnerstag und Freitag sind zwei Skatclubs zu Gast. Das Flaschenbier kostet 1,90 Euro, das Bauernfrühstück mit Käse fünf Euro. Es gibt Steak au four, Roulade und als Eingeständnis an die modernen Essgewohnheiten überbackenen Camembert. „Das ist hier keine Gourmetküche“, sagt Pietsch. Der Wirt legt Wert auf einfache Gerichte und niedrige Preise. „Das nimmt mir sowieso keiner ab, wenn ich hier Pizza verkaufe“, sagt er.

Pietschs Konzept ist, möglichst vieles so zu lassen, wie es ist. Und das scheint zu funktionieren. „In den letzten drei Jahren ist die Jugend nachgerückt“, sagt Pietsch. Die Studenten im Viertel freuen sich über die niedrigen Preise in der Erlenklause. Sie trinken bei Pietsch ein Bier und legen mit einem Bauernfrühstück die Grundlage für eine lange Nacht in der Neustadt.

So verändern die jüngeren Gäste die Erlenklause nach und nach. „Eine typische Arbeitergaststätte ist es nicht mehr“, sagt Pietsch. Früher seien die Männer direkt von der Arbeit zu ihm gekommen, hätten fünf oder sechs Bier getrunken und seien dann nach Hause zu Frau und Kind. gegangen. Heute wird weniger getrunken, die Gäste kommen später und bleiben länger. „Das geht hier mindestens bis 2 Uhr“, sagt Pietsch. Auch Stefan Pinske weiß, dass er Veränderungen möglichst behutsam einführen muss. Wie bei Pietsch kommen die meisten seiner Gäste direkt aus der Nachbarschaft. Der Anteil der Stammkunden ist hoch. „Bei manchen stelle ich das Bier gleich auf den Tisch, wenn sie sich setzen“, sagt Pinske.

Kein Platz für Schnickschnack

Die Gäste kommen ins Leonardo, weil sie in gewohnter Umgebung einen gemütlichen Abend verbringen wollen. Für Schnickschnack ist kein Platz. Eine Cocktailkarte gibt es bei Pinske nicht. Die Inneneinrichtung hat er im Wesentlichen über all die Jahre nicht verändert.

Nur, dass jetzt auf der Speisekarte auch Rinderfilet für zwölf Euro steht, das hätte sich Pinske vor zehn Jahren noch nicht getraut. „Man merkt schon, dass Menschen ins Viertel kommen, die mehr Geld haben“, sagt er. Die Speisekarte hat er der Nachfrage angepasst. Die Röstpfanne für 4,50 Euro steht aber immer noch drauf. Tobias Winzer

Morgen lesen Sie: Warum sich im Hechtviertel eine lebhafte Kunstszene entwickelt hat.