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Das Wochenende der Springböcke

Zum D-Radtreffen kamen viele Motorradliebhaber nach Wilsdruff. Die Oldtimer beeindrucken nicht nur optisch.

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© Karl-Ludwig Oberthür

Von Stephan Klingbeil

Wilsdruff. Die Maschine knattert, rattert, röhrt. Dann zischt sie ab, düst vorbei an parkenden Autos und grasmalmenden Kühen. Stefan Linke aus Kreischa weilt indes wie viele weitere Besucher am Sonnabend auf dem Festgelände im Wilsdruffer Ortsteil Blankenstein. Der Kfz-Meister ist einer von 165 Teilnehmern des 22. internationalen D-Rad-Treffens – des ersten überhaupt im hiesigen Landkreis. Er schwärmt: „Dieser satte Sound, der Klang ist super. Als die gebaut wurden, gab es noch keine Schalldämpfer – und kein Rück- oder Blinklicht.“

Der Charme der 20er-Jahre blieb dieser R0/4 erhalten. Der Graupaer Michael Scheinert ist stolz auf die 9-PS-Maschine.
Der Charme der 20er-Jahre blieb dieser R0/4 erhalten. Der Graupaer Michael Scheinert ist stolz auf die 9-PS-Maschine. © Karl-Ludwig Oberthuer
Organisator Marcus Dachsel zeigt eines der ältesten Modelle. Diese M24 von 1924 gehört dem Oelsnitzer Mark Schaller.
Organisator Marcus Dachsel zeigt eines der ältesten Modelle. Diese M24 von 1924 gehört dem Oelsnitzer Mark Schaller. © Karl-Ludwig Oberthuer
Kfz-Meister Stefan Linke aus Kreischa hat zehn Jahre an seiner R0/4 gebastelt. Nun schraubt der 46-Jährige an einem weiteren D-Rad für seine Frau Kerstin Buckan.
Kfz-Meister Stefan Linke aus Kreischa hat zehn Jahre an seiner R0/4 gebastelt. Nun schraubt der 46-Jährige an einem weiteren D-Rad für seine Frau Kerstin Buckan. © Karl-Ludwig Oberthuer

Rund 60 000 Motorräder der Marke verließen von 1923 bis 1932 die Deutschen Industriewerke, später Deutsche Kraftfahrzeugwerke, in Berlin-Spandau. Der Spitznamen „Spandauer Springbock“ hängt wohl mit dem Spandauer Bock, einem Hügel, zusammen, auf dem sich Werksangestellte auf D-Rädern einst durchschütteln ließen.

D-Rad-Treffen gab es schon in den 20er-Jahren, erklärt Marcus Dachsel, Organisationsteamleiter in Blankenstein. In den 90er-Jahren wurden diese Treffen wiederbelebt. Seit jener Zeit nennt auch der Kreischaer Stefan Linke so ein Motorrad sein eigen.

„Ein Lehrling hatte mir damals erzählt, sein Vater hatte zwei solcher D-Räder, obwohl er nur eines brauchte. Ohne zu wissen, worum es sich dabei genau handelte, kaufte ich diese R0/4 aus dem Jahr 1925 für 1 000 D-Mark, das war ein stolzer Preis, aber durchaus legitim“, sagt der 46-Jährige.

Nach zehn Jahren hatte er die Maschine wieder auf Vordermann gebracht, fährt regelmäßig zu den alljährlichen D-Radtreffen. Inzwischen sei seine R0/4 wohl 13 000 Euro wert. Für seine Frau Kerstin, die sein Hobby teilt, schraubt er nun an einem weiteren D-Rad – genauer gesagt an einem halben, das einst bei einem verkaufswilligen Dresdner im Schuppen stand. Bald soll die mehr als 90 Jahre alte Maschine mit dem einprägsamen Logo rundum erneuert sein.

In Blankenstein stellten D-Rad-Liebhaber 105 dieser Motorräder mit der zum dreieckigen D gekrümmten, grünen Schlange zur Schau. Sie kamen aus ganz Deutschland nach Blankenstein, um sich mit anderen Fans zu treffen, sich auszutauschen, um Ersatzteile zu kaufen oder um an der Ausfahrt teilzunehmen.

Für die laut Dachsel unerwartet vielen Gäste in Blankenstein standen so am Sonnabend eine große Ausfahrt auf dem Plan. Über den Landberg ging es nach Wilsdruff, dann nach Meißen zur Porzellanmanufaktur, zur Albrechtsburg und zurück. Unfälle gab es nicht, sagt der rundum zufriedene Dachsel. Viele Gäste sprachen von „einem der besten Treffen in den letzten Jahren“.

Probleme gab es nur, als etwa bergaufwärts bei Niederwartha ein paar D-Räder den Geist aufgaben. Aber das ist nicht ungewöhnlich, sagt Michael Scheinert aus Pirna-Graupa. Der 32-jährige Kfz-Mechaniker schraubt in seiner Freizeit gerne an alten Fahrzeugen herum. Sein D-Rad stammt aus Schwerin. Er entdeckte es online in einem Forum. „Mir gefiel, dass es noch nicht restauriert war“, sagt der Tüftler. „Nach zwei Jahren war die Maschine flott, ich war dann aber auch froh, dass ich fertig war.“

Während der Graupaer keine allzu lange Anreise hatte, kamen einige Gäste von weit her, etwa aus den Niederlanden oder der Schweiz. Mit die längste Anfahrt hatte Krzysztof Mazur: Der 57-Jährige war aus Warschau angereist, erst mit einem Anhänger und von Görlitz aus auf seinem „Springbock“. In Polen gibt es D-Räder sehr selten, erzählt Mazur. Er fahre einen Modellmix aus R 10 und R 11. Bei einem der Treffen erfuhr er, dass sein D-Rad Anfang der 30er-Jahre in Spandau aus Lagerteilen zusammengeschraubt wurde. Dem satten Klang seines Motorrads schadete das nicht.