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DDR-Vorzeigebetrieb wird abgerissen

Der „VEB Aktivist“ in Zwickau überlebte zwar die Wende, doch 2004 kam das Aus. Jetzt werden die letzten Spuren beseitigt – bis auf eine.

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© dpa

Von Claudia Drescher

Zwickau. Überall zerbrochene Scheiben und Müll, eingestürzte Mauern, ein ausgebrannter Dachstuhl: Die ehemalige Strickwarenfabrik im Zwickauer Stadtteil Oberplanitz, vielen besser bekannt als „VEB Aktivist“, hat ihre beste Zeit schon lange hinter sich. Nun ist das Aus für die Industrieruine beschlossene Sache. Der Bau- und Verkehrsausschuss der Stadt gab grünes Licht für einen Komplettabriss, bei dem auch die Fundamente des vor mehr als 100 Jahren gegründeten Unternehmens ausgebaut werden sollen. Damit rücken ab Ende des Monats die Bagger auf einer der letzten Zwickauer Brachen aus DDR-Zeiten an. Im „VEB Aktivist“ – 1910 als Stickerei unter dem Namen Junghans und Rößel gegründet – wurden zu DDR-Zeiten Oberbekleidung und Unterwäsche sowie Badebekleidung produziert. Die Waren aus Oberplanitz landeten nicht nur in einheimischen Geschäften, sondern wurden auch in die Bundesrepublik exportiert. Der guten Qualität der Ware sei es zu verdanken gewesen, dass der Betrieb die Wendezeit zunächst überlebte, heißt es auf der Internetseite des Projekts „Industrie.Kultur.Ost“.

Dieses ehrenamtliche Netzwerk aus Hobbyhistorikern und Fotografen dokumentiert das industriekulturelle Erbe Ostdeutschlands. Demnach belieferte der DDR-Nachfolgebetrieb unter dem Namen Micado Strickwaren GmbH nach 1990 unter anderem Händler wie Quelle und Tchibo. 2002 musste der Betrieb jedoch Insolvenz anmelden, 2004 war endgültig Schluss. Trotz zahlreicher Bemühungen konnte kein Nachnutzer gefunden werden, die Fabrik verfiel.

90 Prozent bezahlt der Freistaat

Rund 1,2 Millionen Euro soll nun die Beseitigung der Gebäude und Altlasten kosten, sagte eine Stadtsprecherin. Bereits am Montag rückten die ersten Arbeiter an und richteten die Baustelle ein. Als Nächstes werde mit der Rodung des zugewachsenen Grundstücks begonnen. Die Stadt selbst zahlt dafür lediglich rund 137 000 Euro, da 90 Prozent der förderfähigen Kosten über das Landesprogramm Brachflächenrevitalisierung finanziert werden.

Sachsen hatte diese Förderung im Jahr 2009 eingeführt, um gezielt „Schandflecken“ zu beseitigen, die aufgrund des strukturellen Wandels, der militärischen Abrüstung oder der Umgestaltung von Gemeindegebieten nicht mehr genutzt werden. „Bis 31. Dezember 2016 sind insgesamt rund 75 Millionen Euro Finanzhilfen an die Gemeinden ausgezahlt worden“, sagte eine Sprecherin des Innenministeriums. Im Doppelhaushalt 2017/2018 sind weitere 200 000 Euro eingestellt.

Die Finanzierung der Abrisse läuft über die Sächsische Aufbaubank. Wie viele Industriebrachen es insgesamt im Freistaat gibt, ist laut Innenministerium unklar. Eine zentrale Datenbank zu dem Thema sei im Aufbau, biete aber derzeit noch keine belastbaren Zahlen.

Allein in Zwickau gibt es laut Stadtverwaltung neben der ehemaligen Stickerei noch sechs weitere Ruinengelände, die an die einstige industrielle Blütezeit erinnern, darunter ein altes Eisenwerk, eine Ziegelei und Teile eines ehemaligen Betonwerks.

Gänzlich getilgt wird die Erinnerung an den „Aktivist“ allerdings nicht: Ein Wandrelief des Zwickauer Künstlers Edgar Klier soll vor dem Abriss gesichert werden und einen neuen Standort in der Stadt finden: In einem ehemaligen Schwimmbad aus DDR-Zeiten, das derzeit zu einem Kompetenzzentrum für das Wohnen der Zukunft umgebaut wird.