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DDR-Zeitreise auf 40 Quadratmetern

Museen zu Geschichte und Leben in der DDR gibt es einige. Doch eine wirkliche und anschauliche Zeitreise ermöglicht wohl erst Peter Lieb mit seinem DDR-Bungalow zum Anfassen.

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Möbel, Geräte, die Deko, sogar die Tapete - in Peter Liebs Bungalow findet man viele Relikte aus der DDR.
Möbel, Geräte, die Deko, sogar die Tapete - in Peter Liebs Bungalow findet man viele Relikte aus der DDR. ©  dpa

Vogelsdorf. Wer den Bungalow von Peter Lieb im brandenburgischen Vogelsdorf betreten will, stutzt schon auf der Terrasse. Woran erinnert die Sitzgarnitur nur, weiß gestrichenes Metall mit knallrotem Polster? Na klar, zu DDR-Zeiten durften diese Stühle in keiner Eisdiele fehlen. Dieses Aha-Erlebnis bleibt nicht das einzige. Der bunte Vorhang aus Kunststoffstreifen an der Eingangstür wirkt wie eine Zeitschleuse.

Plötzlich steht der Besucher inmitten von 40 Quadratmetern DDR: Links der Esstisch mit vier Stühlen, dahinter ein Bücherregal mit Vogelkäfig. Genau gegenüber die Sprelacart-Küche mit Anrichte, Kaffeemaschine, Warmwasser-Boiler, Mixer - alles made in GDR. Rechts daneben führt eine Tür ins Bad. Daran vorbei geht es ins Wohnzimmer mit der Schrankwand „Leipzig 4“. Der Bungalow, Typ B34, wirkt mit seiner Blümchentapete so authentisch, als wäre er tatsächlich bewohnt: Schnapsflaschen stehen im Regal, gleich neben den Schmalzfleisch- und Fisch-Konservendosen. Die Robotron-Schreibmaschine wartet neben dem Telefon mit Wählscheibe und dem rot eingefassten Brigadebuch.

In dem kleinen Häuschen des Sammlers scheint es, als ob die Zeit mitten in der DDR stehen geblieben ist.
In dem kleinen Häuschen des Sammlers scheint es, als ob die Zeit mitten in der DDR stehen geblieben ist. ©  dpa


Auf diesen Eindruck ist Besitzer Peter Lieb besonders stolz. „Das ist kein Museum, hier darf man alles anfassen, in Schubladen und Schrankfächern stöbern und in Erinnerungen schwelgen“, sagt der 56-Jährige, der sich sichtlich daran erfreut, wenn seine Besucher tatsächlich ins Erzählen kommen. Denn dann hat sich seine perfektionierte Sammelleidenschaft tatsächlich gelohnt. Den Bungalow im heutigen Landkreis Märkisch-Oderland östlich von Berlin hatte Lieb tatsächlich zu DDR-Zeiten gebaut. „Original-Inventar gab es bei uns im Haushalt allerdings nicht mehr. Wir hatten schon alles entsorgt und durch neue Westprodukte ersetzt“, sagt der zweifache Vater. Bis vor zweieinhalb Jahren hat er die Laube für Partys oder als Gästequartier genutzt.

Dann aber kam ihm nachts im Bett die Idee: Wenn Du schon einen DDR-Bungalow hast, dann sollte auch die Einrichtung dazu passen. Also baute er sämtliche Modernisierungen wieder zurück, beispielsweise im Bad, wo die Toilette jetzt wieder die typische DDR-Spülung hat, gleich neben der Waschmaschine „WM 66“ und der separaten Schleuder „TS 66“, die einst auf einem aufblasbaren Gummiring saß. Liebs Ehrgeiz war entfacht. Er begann zu sammeln, um die Möbelstücke auch zu füllen: Auf Trödelmärkten, bei Haushaltsauflösungen, aber vor allem auch auf der Internet-Plattform Ebay wurde er fündig. Inzwischen bringen ihm auch Leute, die von seiner Sammelleidenschaft gehört haben, DDR-Utensilien vorbei.

In der Anbauwand finden sich auch zahlreiche typische DDR-Produkte.
In der Anbauwand finden sich auch zahlreiche typische DDR-Produkte. ©  dpa


Hinterhergeworfen würden ihm die Sachen jedoch nicht, stellt er klar. „Da werden schon stolze Preise verlangt“, erzählt der Sammler, und hauptberufliche Außendienstmitarbeiter einer Firma für Medizintechnik, der lieber nicht sagen möchte, was ihn sein DDR-Bungalow-Style schon gekostet hat. „Ich bin kein wehmütiger Ostalgiker, glorifiziere die DDR keineswegs. Aber ich bin ein Nostalgiker, der überrascht davon ist, wie viele Gebrauchsgegenstände aus jener Zeit noch zu bekommen sind.“

Weniger verwunderlich ist diese Tatsache für Axel Drieschner, Kurator im Dokumentationszentrum für DDR-Alltagskultur in Eisenhüttenstadt (Oder-Spree). „Das ist kein Einzelfall. Viele ehemalige DDR-Bürger haben diese Dinge aufgehoben“. Das merke er vor allem daran, dass dem Dokumentationszentrum regelmäßig komplette Sammlungen nach Haushaltsauflösungen angeboten werden.


Selbst im Badschrank finden sich noch viele Original-Produkte.
Selbst im Badschrank finden sich noch viele Original-Produkte. ©  dpa


„Die Leute sind dann immer enttäuscht, wenn wir ihnen sagen müssen, dass wir die meisten Gegenstände schon in unserem Fundus haben“, meint er bedauernd. Dass frühere DDR-Bürger diese Dinge aufheben, darin sieht Drieschner keine Verherrlichung der DDR-Vergangenheit. „Einen nostalgischen Rückblick macht jeder von uns ab einem bestimmten Alter. Die meisten wünschen sich diese Zeit aber deswegen nicht auch zurück.“ Dieses Bedürfnis, sich beim Anblick bestimmter Dinge zu erinnern, erlebt der Kurator auch in den Ausstellungen des Dok-Zentrums. „Manche sind enttäuscht, dass wir den alten Konsum nicht mehr zeigen. Andere fragen nach der typische DDR-Muster-Wohnung, die wir früher in der Nachbarschaft hatten.“

Deswegen überlege er inzwischen, diesen sehr lebendigen Ausstellungsteil in Kooperation mit dem Eisenhüttenstädter Wohnungsunternehmen wieder einzurichten. Wer nicht warten will, kann sich schon einmal in Liebs Bungalow in Vogelsdorf umschauen. Nach Voranmeldung bewirtet der Besitzer seine Gäste mit „Kaltem Hund“, einem typischen DDR-Kuchenersatz, und Kaffee - wahlweise aus Tassen, die einst im Berliner „Palast der Republik“ verwendet wurden oder Geschirr der Marke „Kahla“. Lieb sieht sich auch als Geschichtsvermittler, denn unter seinen Besuchern waren auch schon Westdeutsche, Ausländer oder Jugendliche, die diese Zeit nicht selbst miterlebt haben. (dpa)