Etwa 50 Dynamo-Chaoten sorgen in Magdeburg für Randale, aber auch der Polizeieinsatz wirft Fragen auf.
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Von Sven Geisler und Daniel Klein
Es ist eine schizophrene Szenerie: Ausgerechnet, als Dynamo mit dem Treffer zum 2:2 den Aufstieg in die 2. Bundesliga klarmacht, fliegen aus dem Dresdner Fanblock eine Nebelbombe auf den Rasen und eine Silvesterrakete in Richtung Magdeburger Zuschauer. Schiedsrichter Manuel Gräfe unterbricht die Partie, nach gut fünf Minuten haben sich die Gemüter beruhigt. Dynamos Sportvorstand Ralf Minge nennt den Zwischenfall „bedauerlich“ und kündigt „null Toleranz“ für die Täter an.
Das Spiel: Dynamo steigt nach Remis in Magdeburg in 2. Liga auf
Dynamo feiert den Aufstieg
Ankunft am und Party im DDV-Stadion
Doch was im Stadion passiert, erscheint harmlos angesichts der Berichte von draußen. Dort spielen sich Jagdszenen ab, und die am Tag danach veröffentlichten Zahlen sind mit Vorsicht zu genießen. FCM-Geschäftsführer Mario Kallnik spricht in einer Pressemitteilung des Vereins von mehr als 300 Dresdner Fans, die sich „ohne gültiges Ticket und durch massive Gewalt den Eintritt in das Stadion verschaffen“ wollten. Beobachter – auch aus der aktiven Dynamo-Fanszene – bestätigen, dass ein gewaltbereiter, dunkel gekleideter Mob auf Polizei und Ordnungskräfte losgegangen ist. Die Zahl sei aber maßlos übertrieben. Von etwa 50 Chaoten ist die Rede.
Es flogen Gegenstände, Zäune wurden demoliert, Beamte attackiert, ein Kiosk geplündert. Die offizielle Polizeibilanz: 15 Polizisten und ein Ordner verletzt, 33 Anzeigen wegen Landfriedensbruchs, gefährlicher Körperverletzung, Raub und Widerstands. Nichts davon ist auch nur im Ansatz zu rechtfertigen, auch nicht mit möglichen Mängeln am Einlass. Gut 1 000 Dynamo-Anhänger waren mit einem Sonderzug zu dem als Risikospiel eingestuften Traditionsduell angereist. „Die Fahrt war ganz entspannt, der Zug kam aber mit 40-minütiger Verspätung an“, sagt Minge, der selber mitgefahren war, auch, um deeskalierend zu wirken. „Es war ja bekannt, was zu erwarten ist.“
Patrick Wiegers: Rückt für den verletzten Janis Blaswich ins Tor. Muss bei seinem ersten Saisonpunktspiel Schwerstarbeit leisten, macht das hervorragend. Note 2
Niklas Kreuzer: Hat an beiden Gegentreffen eine Aktie, gehört sonst aber zu den wenigen Dynamos, die dem Gegner kämpferisch Paroli bieten. Note 4
Giuliano Modica: Ist er durch die Niederlage mit dem Ex-Verein Offenbach in der Relegation in Magdeburg übermotiviert? Verschuldet wie Hefele das 0:1. Note 4
Michael Hefele Versucht den Überblick zu behalten, was ihm selten gelingt. Verirrt sich schon zu Beginn in die Offensive, spielt teilweise arrogant. Note 4
Fabian Holthaus: Ersetzt den angeschlagenen Fabian Müller – aber nicht annähernd gleichwertig. Ist teilweise überfordert, macht viele Fehler. Note 5
Quirin Moll: War es sein letzter Einsatz für Dynamo? Der künftige Braunschweiger hätte sich vierteilen müssen, um die Lücken im Mittelfeld zu schließen. Kommt so nur schwer in die Zweikämpfe. Note 4
Jannik Müller: Ein undankbares Spiel für den ersten Startelf-Einsatz der Saison – und das auf ungewohnter Position. Die Offensive ist nicht seine Stärke. Note 4
Andreas Lambertz: Auch er schafft es nicht, die Sturmläufe zu stoppen. Hätte als Routinier mehr Ruhe ins eigene Spiel bringen müssen. Note 4
Justin Eilers: Vergibt erst die Riesenchance in der ersten Hälfte, macht dann aber – wie so oft – das entscheidende Tor. Note 3
Jim-Patrick Müller: Kämpft sich rein in dieses Spiel, sucht aber zu selten den direkten Weg zum Tor. Trotzdem einer der wenigen Lichtblicke. Note 3
Pascal Testroet: Hängt eine Stunde komplett in der Luft, köpft dann das erste Tor und bereitet das zweite vor – ein Stürmer eben. Note 3
Aias Aosman: Muss nach seinem Wutausbruch vorige Woche zunächst auf die Bank und leitet dann die Aufholjagd ein. Note 2
Nicht zu bewerten: Stefan Kutschke sowie Niklas Landgraf, der für wenige Minuten sein Drittliga-Debüt feiert. (SZ/dk)
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Im Vorfeld hatten unter anderem die Präsidenten beider Vereine an die rivalisierenden Fanlager appelliert, ein stimmungsvolles, friedliches Fußballfest zu feiern. „Wir haben präventiv alles Menschenmögliche getan, die Absprachen mit den Magdeburgern waren einwandfrei, da wurden sämtliche Szenarien durchgespielt“, erklärt Minge. Doch einige waren nicht in guter Absicht gekommen, sondern nur auf Randale aus. „Diese Gruppe, diese Minderheit, hat den dynamischen Festtag schon vor dem Anpfiff beschmutzt“, heißt es in einer am Sonntagnachmittag von Dynamo herausgegebenen Pressemitteilung.
Zu den ersten Eindrücken zähle aber auch, dass „ein Teil der Sicherheitsträger nicht deeskalierend agierte, sondern mit der Situation überfordert war“, erklärt der Verein. Laut Augenzeugenberichten gingen Einsatzkräfte zum Teil brutal und ohne Vorwarnung auch auf Fans los, die nicht an der Randale beteiligt waren. Es habe Knochenbrüche und starke Prellungen gegeben, von Pfefferspray und sogar Tränengas seien auch Kinder getroffen worden.
Mehr als 300 Personen seien vorübergehend festgesetzt worden, meldet die Polizei. Allerdings heißt es aus Fankreisen, das seien keine Gewalttäter gewesen. Warum sich diese Personen auf den Boden legen mussten und ihre Hände mit Kabelbindern fixiert wurden, sei nicht erklärt worden, wenig später wurden sie freigelassen.
Ein vernünftiger Einlass war nicht gewährleistet. Der 1. FCM habe als Gastgeber entschieden, etwa 700 Dynamo-Anhängern ein „Hausverbot“ zu erteilen und sie nicht mehr ins Stadion zu lassen – trotz gültiger Eintrittskarte. Die „seltsam unvollständige Kulisse“, die Dynamo beklagt, warf während der Liveübertragung im MDR Fragen auf. Trotzdem hatten es ausgerechnet einige Kriminelle in den Dresdner Block geschafft und konnten im Stadion zündeln. Wie angespannt die Sicherheitskräfte waren, belegt die Szene, als Minge schlichtend eingreifen will und von zwei Ordnern festgesetzt wird. Der Sportvorstand hatte alle Mühe, eine weitere Eskalation zu verhindern.
Die gab es nach dem Schlusspfiff vor der Arena. Etwa 250 teils vermummte Magdeburger Hooligans versuchten nun, Dresdner Fans zu attackieren, und gerieten mit der Polizei aneinander. Die setzte Wasserwerfer ein. Die Fanhilfe Magdeburg kritisiert den Einsatz: „Polizei dreht durch. Wasserwerfer gegen alles, was sich bewegt. Eskalation wird bewusst provoziert.“
Es wird einige Zeit dauern, das Geschehen so aufzuarbeiten, dass ein differenziertes Urteil möglich ist. Für Dynamo bleibt es – wie es in der Pressemitteilung heißt – ein Aufstieg mit gemischten Gefühlen.