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Den Urahnen auf der Spur

Seit reichlich einer Woche graben die Archäologen auf dem Feld neben der Gake. Gestern sind sie fündig geworden.

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© Dietmar Thomas

Von Cathrin Reichelt

Döbeln. Für den Laien sind es graue Flecke in braunem Lehmboden. Der Archäologe erkennt in den Verfärbungen die Überreste einer Siedlung. „Das waren die Löcher von Pfosten eines Gebäudes und eine Grube“, erklärt Dr. Michael Strobel, Referent des Landesamtes für Archäologie. Er zeigt auf eingeschlossene Holzkohlestücke und legt sich schon ziemlich genau fest: „Sie stammen aus der Bronze- oder Eisenzeit.“

Entdeckt hat die Überbleibsel einer Behausung gestern der Archäologe Dr. Volkhard Hirsekorn. Er begleitet seit reichlich einer Woche einen Bagger, der auf dem Feld neben der Gake gleichmäßig breite und lange Streifen aushebt. Dort soll voraussichtlich ab kommendem Jahr die neue B 175 gebaut werden. Die archäologische Erkundung des Baufeldes ist der dritte Abschnitt der Bauvorbereitung. Zuerst wurden Bäume gefällt und Sträucher entfernt. Dann hat der Kampfmittelräumdienst den Boden mit einer Magnetometersonde abgesucht. Viele Bereiche sind unbedenklich. Doch grüne Stäbe zeigen an, wo noch Bohrungen nötig sind, ehe der Baggerfahrer die Schaufel ansetzen darf. „Dort sind Anomalien festgestellt worden. Das können simple Steine, archäologische Strukturen, Müll aber auch Munition sein“, so Strobel. Bisher habe der Kampfmittelräumdienst aber noch nichts weiter als eine alte Schrotflinte gefunden.

Scherben zeugen von Vorratsgrube

Dass sich die Archäologen den Untergrund zwischen der Total-Tankstelle und der Autobahnauffahrt in Döbeln Ost überhaupt näher anschauen, rührt daher, weil die Besiedlung der Region nachweislich 5 500 vor Christus begonnen hat. „Bei Zschackwitz gibt es zum Beispiel einen bandkeramischen Siedlungsnachweis. So genannt, weil die Töpfe damals mit Linienmustern verziert waren“, erklärt Strobel. Auch bei Zschäschütz wurden vor Jahren entsprechende Funde gemacht.

Da sich die Menschen früher dort niedergelassen haben, wo es guten Boden gab, und ein Gewässer in der Nähe war, sei es sehr wahrscheinlich, dass es auch im künftigen Baubereich der B 175 Siedlungen gegeben hat. Michael Strobel schätzt, dass die Archäologen im Durchschnitt etwa 25 Prozent dessen finden, was ursprünglich vorhanden war.

Normalerweise graben die Archäologen nur so tief, wie es für den nachfolgenden Bau notwendig ist. Meist wird dazu der lockere Boden bis zur Lehmschicht abgetragen. „Die ersten 80 Zentimeter sind hier Auffüllungen, die möglicherweise beim Bau des Gewerbegebietes entstanden sind“, vermutet Strobel. Er lobt Baggerfahrer Karsten Tomeischel, der perfekte gerade Flächen bis zur Lehmschicht zieht. „Das kann nicht jeder“, meint der Referent des Landesamtes für Archäologie.

Während er in dem einen Grabungsabschnitt erklärt, findet Volkhard Hirsekorn im nächsten eine weitere Verfärbung im Boden. 90 Zentimeter misst sie im Durchmesser. Vorsichtig legt der Archäologe Tonscherben und Steine frei. Strobel vermutet, dass es sich um eine frühere Vorratskammer handelt. Die runde Verfärbung wird von einer Pflugspur überschnitten. Sie zeugt davon, dass der Boden einmal viel zu tief umgepflügt worden ist – wahrscheinlich in den 1960er oder -70er Jahren.

Der Kreis könnte auch eine Abfallgrube gewesen sein. „Abfallgruben sind die besten Fundgruben“, meint Strobel und fügt hinzu: „Im Idealfall hat es gebrannt.“ Abgebrannte Dörfer hinterlassen die meisten Spuren. Zum einen, weil die Bewohner keine Zeit hatten, etwas mitzunehmen. Zum anderen, weil durch die Asche auch organische Stoffe konserviert wurden.

Die neben der Gake gefundenen Scherben werden jetzt in der Fläche dokumentiert, ausgegraben, gereinigt, beschriftet und möglicherweise zusammengesetzt. „Die Kreise werden wir wie eine Torte aufschneiden, um festzustellen, wie der Querschnitt aussieht und wie tief er geht“, so Strobel.

Jetzt wird großflächig gegraben

Eineinhalb Monate waren für die archäologische Untersuchung vorgesehen. Die werden nicht mehr reichen. Denn aufgrund der Funde soll der Bereich nun großflächig geöffnet werden. „Der Straßenbau ist ohnehin erst für das kommende Jahr vorgesehen“, meint Strobel.

Für die neue Verbindungsstraße von Oberranschütz zum Gewerbegebiet sind die Vorarbeiten schon einen Schritt weiter. Die archäologischen Untersuchungen sind ohne Ergebnis abgeschlossen. Es wurde nur eine alte Lehm- und Kiesgrube gefunden, die vermutlich zu DDR-Zeiten mit Abfällen verfüllt wurde. Das Landesamt für Straßenbau und Verkehr sei nun dafür verantwortlich, die Tragfähigkeit und Altlasten zu prüfen. Dann könne der Straßenbau beginnen.