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Der digitale Bauer

Der Traktor weiß, wo er den Dünger aufs Feld bringen muss, die Kühe lassen sich vom Roboter melken. So funktioniert Landwirtschaft im 21. Jahrhundert. Zumindest bei der Agrargesellschaft Ruppendorf.

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© dpa

Von Christiane Raatz

Klingenberg. Drei blinkende Monitore, jede Menge Knöpfe und Schalthebel - das Führerhaus des Traktors erinnert an den Innenraum einer Schaltzentrale. Schwungvoll klettert Jens Legler nach oben und schmeißt den Motor an. „Das war erst einmal Neuland, aber jetzt hat man sich daran gewöhnt“, sagt er über die Technik, dann rattert er weiter über die Felder.

Auf dem Dach der Landmaschine leuchten weiße Sensoren: Sie messen den Nährstoffgehalt der Pflanzen, übertragen die Daten auf den Monitor im Inneren und zeigen an, wo und wie viel Stickstoffdünger auf dem Feld ausgebracht werden muss - je nach Bedarf. „Man ist damit viel sparsamer und präziser“, sagt Legler. Er arbeitet für die Agrargesellschaft Ruppendorf (Landkreis Sächsische Schweiz/Osterzgebirge), die als Vorreiter digitaler Bewirtschaftung gilt.

„Smart Farming“ oder „Precision Farming“ ist ein Thema, über das derzeit bei Landwirten diskutiert wird - auch in Sachsen. Laut Landwirtschaftsministerium bringen die neuen Technologien viele Vorteile: Sie sparen Betriebsmittel, Arbeitszeit sowie Maschinenkosten, Ressourcen werden ökologisch verträglicher genutzt. „Fast jede moderne Maschine - Traktor, Sämaschine, Maishäcksler - kann Daten liefern oder sich von Daten leiten“, sagt ein Sprecher. Das Ministerium schätzt, dass etwa 30 Prozent der Landwirte im Freistaat die modernen Anwendungen nutzt.

„Die Digitalisierung ist in allen Bereichen der Landwirtschaft angekommen“, sagt Johannes Putz, Leiter für Pflanzenbau der Agrargesellschaft. Angefangen bei GPS-gesteuerten Traktoren, die automatisch die Spur halten und vermeiden, dass Flächen doppelt bearbeitet werden: „Wenn man eine Feld von 3 000 Meter Länge bewirtschaftet, sind fünf Zentimeter Überlappung viel Fläche“. Bis hin zum Melkroboter, der sämtliche Daten auf das Smartphone schickt.

Für den 32-jährigen Agraringenieur Putz ist das „Smart Farming“ eine Hilfe, ein Mittel zum Zweck. Es ersetzte aber nicht das geschulte Auge des Landwirts. Dennoch hilft es bei der Bewirtschaftung der rund 4 000 Hektar großen Fläche, auf der unter anderem Weizen, Gerste und Raps angebaut werden.

Die 24 Traktoren der Ruppendorfer Agrargesellschaft sind alle mit modernster Hard- und Software ausgestattet, zwei mit digitaler Düngetechnik. Künftig will der Betrieb noch einen Schritt weitergehen und auf die Hilfe von Satelliten setzen. Diese überfliegen die Flächen und machen Bilder, neben Wetterdaten werden auch die Menge an Weizen, Gerste und Co. auf den Feldern zu einem bestimmten Zeitpunkt erfasst. Anhand der Daten werden Karten erstellt, die Auskunft über den bestmöglichen Ertrag auf der jeweiligen Fläche geben. „Das macht dort Sinn, wo die Böden sehr unterschiedlich sind, wie bei uns.“

Das System gibt etwa an, in welchem Bereich acht Tonnen Weizen wachsen, während es nebenan nur vier sein können. Entsprechend kann der Landwirt das Saatgut ausbringen, den Boden beackern und düngen. Die Anbieterfirma Smart Facts spricht von „Talking Fields“ - sprechenden Feldern. Putz rechnet für die Einführung mit Kosten zwischen 15 und 16 Euro pro Hektar. „Eine Menge Geld, aber hoffentlich wirtschaftlich.“ Er verspricht sich neben einem besseren Ertrag vor allem effizientere Bewirtschaftung.

Nach Einschätzung des Deutschen Bauernverbandes (DBV) entwickelt sich die Landwirtschaft rasant zu einer digitalisierten Branche. Einer repräsentativen Befragung des Digitalverbandes Bitkom und des DBV zufolge nutzen bereits mehr als die Hälfte der Landwirte digitale Lösungen. Landmaschinen, mit denen Aussaat, Pflanzenpflege und Ernte digital erfolgt, nutzen demnach vier von zehn Landwirten. Mehr als ein Drittel setzt auf die Robotertechnik etwa zum Melken.

So auch Olaf Roßberg, Herdenmanager bei der Agrargesellschaft Ruppendorf. Will er etwas über seine Kühe wissen, zückt er sein Smartphone: Gewicht, Eiweißgehalt, Milchmenge und Entzündungswerte - mit einem Fingerwisch kann er sich durch die Daten der gut 1 000 Kühe im Stall klicken, die vom Melkroboter aufgezeichnet werden. „Am Morgen setze ich mich zuerst an den Computer und schaue mir an, ob Kühe auffällig sind. Die kann ich dann gezielt beobachten.“

Früher waren vier Melker und ein Treiber pro Schicht im Einsatz, gemolken wurde zweimal am Tag. Heute lassen sich die Tiere dreimal täglich vom Roboter melken - früh und abends ist dafür nur noch ein Mitarbeiter nötig. Die Arbeit ist leichter geworden, dafür sind Arbeitsplätze im Stall weggefallen.

Durch die Digitalisierung hat sich die Arbeit der Landwirte verändert. Mindestens 30 Prozent seiner Zeit verbringt Johannes Putz heute vor dem Bildschirm. Und dennoch achtet er darauf, dass er regelmäßig auf den Feldern unterwegs ist. „Will ein Landwirt erfolgreich sein, muss er auf seine Flächen.“ (dpa)