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Der Durchbruch kam mit Salome

Vor 130 Jahren gab der Komponist Richard Strauss sein Debüt in Dresden. Der Beginn einer großen künstlerischen Liebe.

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Von Ralf Hübner

Mit Staatskapelle und Semperoper hat Richard Strauss (1864–1949) in Dresden wahre Triumphe gefeiert. Er gilt in der Dresdner Musikgeschichte als absolutes Schwergewicht. Allein 9 von dessen 15 Opern wurden in Dresden uraufgeführt, darunter „Salome“, „Elektra“ und „Der Rosenkavalier“. Bei 46 Opernvorstellungen und Konzerten stand Strauss am Dirigentenpult der Staatskapelle, das letzte Mal mit „Arabella“ am 18. Juni 1938. Das war rund 50 Jahre nach seinem Debüt, das er in der Elbestadt vor 130 Jahren am 24. Oktober 1888 gegeben hatte.

Der Komponist und Dirigent Richard Strauss im Jahr 1888. Foto: dpa
Der Komponist und Dirigent Richard Strauss im Jahr 1888. Foto: dpa © dpa
Die erste Spielstätte der späteren Dresdner Philharmonie: Das Gewerbehaus an der Ostra-Allee um 1910. Richard Strauss gab dort sein Dresden-Debüt.Foto: Sammlung Holger Naumann
Die erste Spielstätte der späteren Dresdner Philharmonie: Das Gewerbehaus an der Ostra-Allee um 1910. Richard Strauss gab dort sein Dresden-Debüt.Foto: Sammlung Holger Naumann

Der Einstand ging damals jedoch nicht in der Semperoper, sondern vor dem Gewerbehausorchester über die Bühne, dem Vorgänger der Dresdner Philharmonie. Das Orchester verdankt die Gründung 1871 eigentlich einem Konzertsaal. Der 1834 entstandene Gewerbeverein hatte 1869 vis à vis von Zwinger und Zwingerteich für 50 000 Taler das „Flemmingsche Haus auf der Ostra-Allee“ erworben und dort 1870 einen großen Saal angebaut, denn der Verein brauchte einen Versammlungsraum. Wie sich herausstellte, verfügte der im Stil der Neurenaissance gehaltene neue Saal mit gut 2 000 Plätzen über eine fantastische Akustik. Deshalb veranstalteten die Leute vom Gewerbehaus regelmäßig Konzerte zu erschwinglichen Eintrittspreisen. Das vom Hof unabhängige, bürgerliche Konzertleben in der Stadt nahm einen Aufschwung.

Für viele der Konzerte verpflichtete der Verein zunächst das Stadtmusikkorps, das aus den Dresdner Stadtpfeifern hervorgegangen war, die seit 1420 vor allem bei hohen Anlässen und Festen sowie in Kirchen gespielt hatten. Ende des 18. Jahrhunderts war diese Stadtkapelle auf 12, später auf 40 Mitglieder angewachsen. Von 1804 an gab es einen Kapellmeister. Das Orchester musizierte oft im Großen Garten und – wegen eines noch fehlenden geeigneten Konzertsaales – in Hotels. Aus Mitgliedern des Stadtmusikkorps‘ sowie weiteren Musikern rekrutierte der Gewerbeverein schließlich ein eigenes Orchester, das 1915 zum Dresdner Philharmonischen Orchester und 1923 zur Dresdner Philharmonie wird. 1909 geht es als eines der ersten deutschen Orchester auf USA-Tournee.

Eine interessante Erscheinung

Für die Saison 1888/89 wurden mehrere hochkarätige Dirigenten wie Peter Tschaikowski und Antonin Dvorák engagiert, die das künstlerische Ansehen des noch jungen Klangkörpers weiter aufpolierten. Strauss dürfte in diesem Reigen noch mehr etwas für Eingeweihte gewesen sein. Er entstammte einer wohlhabenden bürgerlichen Familie in München. Der Vater war Hornist im Hofopernorchester, die kunstsinnige Mutter kam aus der Bierbrauer-Dynastie Pschorr. Ein reguläres Musikstudium hat Strauss nie absolviert. Dennoch soll er bis zum 18. Geburtstag schon 140 Stücke komponiert haben.

Das Dresdner Orchester war zeitig auf den jungen Künstler aufmerksam geworden, der Berliner Konzertagent hatte den Auftritt im Gewerbehaus eingefädelt. Bei seinem Auftritt, Strauss ist inzwischen 24 und dritter Hofkapellmeister in München, brachte er unter anderem auch seine eigene Konzertouvertüre op. 4 zur Aufführung. „Eine imponierende Arbeit“, urteilten die „Dresdner Nachrichten“, ein „Werk, aus welchem Talent und Genialität deutlich herausklingen“. Strauss sei eine „interessante Erscheinung“. Er zähle zu den wenigen, „die noch etwas zu sagen haben“. Doch das Interesse der Dresdner hielt sich damals offensichtlich in Grenzen. „An dem ersten Abend war die Beteiligung des Publikums eine nur mäßige“, berichtete der „Dresdner Anzeiger“, obwohl sich Strauss „als Componist in Dresden bereits des ehrenvollsten Rufes und besonderer Sympathie erfreute“.

Dass jedoch die Staatskapelle und nicht die Philharmonie das „Strauss-Orchester“ wurde, als das es in der Musikwelt bis heute gilt, der er mehr als 60 Jahre künstlerisch die Treue hielt, haben womöglich die Berliner zu verantworten. 1901 wollte er an der Lindenoper, deren Kapellmeister er zu dem Zeitpunkt war, seine Oper „Feuersnot“ aufführen. Doch der Berliner Intendant weigerte sich, dieses ironische Zeitstück gegen bürgerliche Scheinmoral auf die Bühne zu bringen. Dresden nutzte die Chance. Der Musikdirektor an der Dresdner Hofoper, Ernst von Schuch, ermöglichte Richard Strauss die Uraufführung von „Feuersnot“ am 21. November 1901 in der Semperoper. Auch wenn die Strauss-Oper „Salome“ – 1905 uraufgeführt – dem Dresdner Publikum zu modern erschien, war diese Aufführung erfolgreich und brachte Strauss den endgültigen Durchbruch.

Im Juni 1944 saß Strauss letztmalig im Zuschauerraum der Semperoper. Ob er auch das bei Bombenangriffen 1944 beschädigte und 1945 zerstörte Gewerbehaus je wieder betreten hat, ist nicht bekannt.