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Der einstige Erfolgstrainer

Walter Daubitz wohnte an der alten Rollbahn in Naundorf und trainierte in den 60-/70-er Jahren die Nationalmannschaft.

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© Thomas Riemer

Von Thomas Riemer

Großenhain. An der alten Rollschnelllaufbahn in Naundorf war Walter Daubitz sehr lange nicht. Wo sich einst die besten Skater der DDR und später Deutschlands trafen, tummeln sich heute Schafe und Ziegen. Die einstige Sporthalle ist unter anderem Futterlager. Der Flachbau nebenan ist verwaist. „Hier habe ich gewohnt“, sagt Walter Daubitz. Die Asphaltbahn mit den überhöhten Kurven und auch die kleine Tribüne sind erhalten geblieben. Als junger Mann, der nach leistungssportlicher Laufbahn als Biathlet in Oberhof nach Großenhain zurückgekehrt war, hatte Walter Daubitz den Blick frei für die Rollläufer. „Ich konnte nicht zusehen, was die für Unsinn gemacht haben“, sagt der 78-Jährige schmunzelnd. „Und da hab ich mich als Trainer anlocken lassen.“ Mitte der 1960er Jahre war das.

Die alte Rollschnelllaufbahn in Naundorf weckt gerade in diesen Tagen vor der Deutschen Meisterschaft der Speedskater beim einstigen DDR-Nationaltrainer viele Erinnerungen.
Die alte Rollschnelllaufbahn in Naundorf weckt gerade in diesen Tagen vor der Deutschen Meisterschaft der Speedskater beim einstigen DDR-Nationaltrainer viele Erinnerungen. © Privatarchiv

Großenhains Sportler waren seinerzeit noch in den Kinderschuhen und eher Mittelmaß. Unter Walter Daubitz zog frischer Wind ein. Er brachte modifizierte Trainingspläne mit, erhöhte die Intensität. „Alles wurde genau analysiert und ausgewertet sowie medizinisch begleitet“, sagt Walter Daubitz. Schon bald stellten sich Erfolge ein. Karl-Heinz Effenberger, Werner Kowatsch und andere mischten die DDR-Spitze auf, holten Titel und Medaillen. Das blieb auch den Verbandsspitzen der DDR nicht verborgen: Walter Daubitz wurde Trainer der DDR-Nationalmannschaft, die sich zu einem Gros aus Großenhainer Sportlern rekrutierte. Der Werkzeugschlosser in der heutigen Schmiede wurde für diesen Job bei Bedarf extra freigestellt, fuhr zu Weiterbildungen und Lehrgängen.

Nachdenklich schaut Walter Daubitz übers Geländer auf die alte Bahn. Wenn hier in den 60er und 70er Jahren Wettkämpfe stattfanden, „hatten wir richtig viele Zuschauer“. Insbesondere die Länderkämpfe mit den Besten der Welt aus Frankreich, Italien oder Belgien sind in Erinnerung geblieben. Materialtechnische Nachteile glichen seine Schützlinge durch athletische Höchstleistungen so gut wie möglich aus. Die Rollschuhe wurden damals teilweise selbst gebaut. Schuhe gab es auf Bezugsschein in der „Spowa“, dem Sportartikelfachgeschäft der DDR. Die Rollen wurden in Eigenregie gedreht, das Holz dafür stammte von einem zugewiesenen Ahorn aus dem Stadtpark. „So war das damals“, sagt Walter Daubitz.

Die Tatsache, dass die Republik-Gewaltigen den Sportlern Reisen ins Ausland untersagten und 1973 die Förderung der nichtolympischen Sportarten fast bis auf den Nullpunkt herunterfuhren, hatte Konsequenzen für die Rollsportler. „Viele Aktive gingen aus Großenhain weg, beispielsweise zur Lehre, und waren für uns außer Reichweite“, erinnert sich Walter Daubitz. In Großenhain war er zu dieser Zeit Leiter des Trainingszentrums, in dem aber irgendwann fast nur noch Nachwuchssportler waren. Von denen wurden zusätzlich regelmäßig die Besten an die Sportschule als Eisschnellläufer abgeworben bzw. delegiert. „Aber da musste wirklich alles stimmen – auch die Zensuren in der Schule.“ Auch bei Walter Daubitz fragten die Funktionäre an – „aber da hätte ich zur DHfK gehen müssen, und das wollte ich nicht“. Bis etwa 1975 blieb er Ehrenamtlicher im Großenhainer Rollsport. „Wir waren eine gute Truppe, bei uns gab es keinen Zickenkrieg“, erinnert er sich schmunzelnd.

Für das letzte Mai-Wochenende hat Walter Daubitz eine Einladung vom Großenhainer Rollsportverein bekommen. Bei der Deutschen Meisterschaft will er sich dann endlich auch die neue Laufbahn im Sportviertel Husarenpark anschauen. „Ich hab den Sport ein bisschen aus den Augen verloren“, sagt der rüstige Rentner, der heute am Großenhainer Stadtrand im Haus seiner Eltern wohnt, gern reist und sich dem Angeln verschrieben hat. Den Umstieg von Rollschuhen auf die heutigen Inline-Speedskater sieht er durchaus als Gewinn an. Entwicklungen im deutschen Leistungssport verfolgt er dagegen eher kritisch. „Man versucht gerade, die Sportschule neu zu erfinden, und das regt mich maßlos auf“, sagt Walter Daubitz. Dass Eisschnelllaufen in Deutschland dadurch schnell wieder an die Weltspitze zurückkehrt, glaubt er nicht: „Die Rückstände sind durch das heutige Sportsystem riesengroß.“

Anders die Speedskater. Da mischen die Deutschen ja durchaus in der Weltspitze mit. Deshalb macht sich Walter Daubitz auch keine Sorgen um die Zukunft. „Rollsport war zwar nie olympisch, aber das wird kommen“, glaubt er.