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Der Kampf um die verlorenen Milliarden

Sie war eine der reichsten Deutschen, nun baut sie im Garten Gemüse an: Quelle-Erbin Madeleine Schickedanz will ihr Vermögen wiederhaben.

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Von Yuriko Wahl-Immel und Christoph Driessen, Köln

Ein Sitz ist leer geblieben im Gerichtssaal. Die Ex-Milliardärin Madeleine Schickedanz erscheint nicht zu dem Prozess, in dem es für sie um alles oder nichts geht. Sie überlässt die Bühne ihren Advokaten. Das passt zum Bild, das sich die Öffentlichkeit von der scheuen 69-Jährigen macht. Und auch zur Beschreibung, die Anwalt Stefan Homann im Kölner Landgericht von seiner prominenten Mandantin gibt. „Frau Schickedanz hat das gemacht, was man ihr vorgelegt hat.“

Die Quelle-Erbin fordert von der abgetretenen Führungsmannschaft der einst größten europäischen Privatbank Sal. Oppenheim und dem Unternehmer Josef Esch eine gigantische Geldsumme zurück: 1,9 Milliarden Euro. Sie habe ihnen vertraut, selbst nicht groß über die Geschäftsdetails nachgedacht, gibt Stefan Homann zu Protokoll. Er kritisiert, dass man Schickedanz nie die Risiken eines Aktienkaufs auf Kredit erklärt habe. Heute müsse Schickedanz die Zeche zahlen.

Es ist noch nicht lange her, da stand Schickedanz auf den Reichenlisten ganz oben. Sie hatte Quelle geerbt, 1999 mit Karstadt fusioniert, was sich als schwierig erwies. Es wurde gestrafft bei KarstadtQuelle, 2007 in Arcandor umfirmiert, der Handelskonzern ging trotz der Rettungsversuche pleite. Großaktionärin Schickedanz, die immer wieder Geld hineingepumpt hatte, steht seitdem vor dem Ruin. Esch und die Ex-Chefs der Kölner Bank hätten sie falsch beraten, seien zu risikoreich vorgegangen und schuld an ihrer Finanzmisere, sagt Schickedanz. 2009 beklagte sie in einem Interview: „Wir leben heute von 500 bis 600 Euro im Monat. Wir kaufen auch beim Discounter. Gemüse, Obst und Kräuter haben wir im Garten.“

Doch vor Gericht zählen nur Beweise. Und der Vorsitzende Richter Stefan Singbartl gibt sich an diesem Dienstag keine Mühe, sein Staunen über die angeblich so unbedarfte Milliardärin zu verbergen. Dass eine Großanlegerin wie Schickedanz von all den Risiken nichts gewusst haben wolle, das leuchte ihm nicht ein. Wenig glaubhaft erscheint Singbartl auch, dass ihr dritter Ehemann Leo Herl sie nicht auf dem Laufenden gehalten habe. „Dass da überhaupt keine Informationen geflossen sein sollen, ist ein bisschen schwer nachzuvollziehen.“ Die Anwälte der namhaften Gegnerschaft – auch aus ihren Reihen lässt sich niemand blicken – müssen kaum noch etwas vorbringen nach diesen deutlichen Richterworten.

In dem komplexen Fall steht jedoch nicht nur Schickedanz als Verliererin da. Auch Sal. Oppenheim – das über 200 Jahre alte Bankhaus – zählt zu den Gefallenen. Unter einem Milliardenverlust brach es 2009 fast zusammen, auch weil es ein riesiges Arcandor-Aktienpaket von Schickedanz übernommen hatte. Seit 2010 gehören die Kölner in stark verkleinerter Form zur Deutschen Bank. Aus dem noblen, diskreten Institut für reiche und superreiche Privatkunden ist eine abhängige Tochter geworden, die personell schrumpft und schrumpft.

Beklagte klagen zurück

Die Ex-Chefs der Bank haben ebenfalls wenig Grund zur Freude. Einige hatten persönlich für die Kreditnehmerin Schickedanz gebürgt, und später für sie dreistellige Millionensummen zurückzahlen müssen. Sie fordern nun im selben Zivilverfahren via Gegenklage ihr Geld zurück. Vor allem aber stehen die Ex-Privatbankiers kurz vor einem spektakulären Strafprozess.

Im kommenden Frühjahr müssen sich die ehemals vier persönlich haftenden Gesellschafter Matthias Graf von Krockow, Friedrich Carl Janssen, Christopher Freiherr von Oppenheim und Dieter Pfundt in Köln wegen des Verdachts der schweren Untreue verantworten. Es geht um Immobiliengeschäfte, mit denen sie die Bank um Millionen geprellt haben sollen. Angeklagt ist auch Immobilienentwickler Esch aus Troisdorf, der eine schwer durchschaubare, weit verzweigte Holding steuert und mit der damaligen Bank-Führungscrew eng zusammengearbeitet hatte. Alle fünf bestreiten die Vorwürfe. Ist der Streitfall Schickedanz mit mehreren Widerklagen schon kompliziert, so dürfte der anstehende Strafprozess noch komplexer werden. Wie es im Schadenersatzprozess weitergeht, will das Gericht am 4. Juni verkünden. (dpa)