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Der lange Kampf gegen den Krebs

Zwei junge Frauen erkranken an einem bösartigen Lymphtumor. Eine hat ihn schon besiegt, die andere beißt sich durch.

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© Christian Juppe

Von Julia Vollmer

Eigentlich ging es ihr gut. Einzig der dauernde Schnupfen, ihr immer wiederkehrender Husten und die nicht verschwindende Müdigkeit fielen Freya Schneider irgendwann auf. „Ich war immer so schlapp. Als mir dann ein riesiger Lymphknoten am Hals wuchs, bin ich zum Arzt gegangen“, erzählt sie. Drei Tage später kam die Diagnose: Hodgkin. Lymphdrüsenkrebs. Am 27. September, diesen Tag wird sie nie vergessen, saß sie ihrem Arzt in Klinikum Friedrichstadt gegenüber und starrte ihn an. „Wenn du 19 Jahre alt bist, rechnest du mit so einer Diagnose einfach nicht. Ich habe das erst mal verdrängt“, sagt die Auszubildende zur Friseurin. Ihr Arzt, Ernst Zschuppe, konnte sie bei allem Schock aber dennoch ein wenig beruhigen. Die Heilungschancen für Hodgkin liegt bei 95 Prozent, erzählt Freya Schneider.

Und das ist bei all dem Schock und Schreck die gute Nachricht. Nicht nur für die junge Frau, sondern auch für viele weitere Krebspatienten. Auf der einen Seite nahm die Zahl der Krebsneuerkrankungen in Sachsen in den vergangenen Jahren bei Männern um 16 Prozent und bei Frauen um drei Prozent zu. Auf der anderen Seite entwickelt sich die Medizin immer weiter und die Heilungschancen werden größer. Dank besserer Diagnose- und Therapiemöglichkeiten überleben inzwischen etwa 60 Prozent der männlichen und 65 Prozent der weiblichen Patienten ihre Krebserkrankung mindestens fünf Jahre. Ende der 1980er-Jahre waren es nur 27 beziehungsweise 41 Prozent. Das geht aus dem neuen Bericht „Krebs in Sachsen“ des Gemeinsamen Krebsregisters der ostdeutschen Bundesländer und Berlins (GKR) hervor.

Nach der Diagnose musste sich Freya Schneider erst mal einem wahren Untersuchungsmarathon unterziehen. Blutproben wurden genommen, alle Werte überprüft. Bevor im November die erste Chemotherapie begann, musste sich die junge Frau einer wichtigen Frage stellen: Möchte ich irgendwann mal Kinder bekommen? Könnte ich damit leben, ohne Nachwuchs durchs Leben zu gehen? Sie entschied sich für den Wunsch nach eigenen Kindern und damit für das Einfrieren ihrer Eizellen. Die Chemotherapie kann die Fruchtbarkeit stören, daher empfehlen die Mediziner das gerade für junge Frauen. „Mit 450 Euro für die Entnahme und 300 Euro Kosten pro Jahr für die Lagerung ist das sehr teuer, aber mir ist das wichtig“, betont die junge Patientin aus Dippoldiswalde. Denn sie will unbedingt Kinder und sie hat keinerlei Zweifel, das sie diese bekommen wird. Eines war Freya Schmidt von Beginn an klar: Ich werde den Krebs besiegen. Liebevolle Unterstützung bekommt sie dabei von ihrem Freund und ihrer Familie. Liebe und Kampfgeist zeigen Wirkung: Der Krebs ist nach drei von sechs Chemos fast besiegt. Diese bekommt sie mittlerweile ambulant in der Tagesklinik in Friedrichstadt. Am Abend darf die 19-Jährige wieder nach Hause. Drei Tage hintereinander hängt Freya Schmidt von 8 bis 23 Uhr am Tropf, die Infusion gegen die Krebszellen läuft durch. „Handy und Fernseher sind dann meine besten Freunde gegen die Langeweile.“ Sie kämpft weiter, bald will sie ihre Ausbildung abschließen.

Eine, die den Kampf schon gewonnen hat, ist Jolanda Birnam. Die 30-Jährige bekam im Januar 2011 die erschütternde Diagnose: Lymphdrüsenkrebs im vierten Stadium. Neben dem Lymphsystem hatte der Krebs auch schon auf die Lunge gestreut. Doch genau wie Freya Schneider kämpfte auch die junge Dresdnerin vom ersten Tag an. „Ich habe genau einmal geweint, am Tag der Diagnose. Danach habe ich zu allen, die mich mitleidig anschauten, gesagt, ich packe das.“ Diesen Satz nahm sie mit durch die nächsten fünf Jahre. Er begleitete sie durch all die Chemotherapien, Bestrahlungen und Gespräche mit Ärzten und Verwandten. „Oft saßen Freunde und Familie verzweifelt und mit Tränen in den Augen an meinem Bett, ich musste sie aufbauen“, erzählt die Bürokauffrau. Der Kampf war hart. Einmal hätte der Krebs beinahe gewonnen: eine Blutvergiftung. Doch Jolanda Birnam biss sich durch. Neben den Medizinern der Uniklinik half ihr vor allem eines: ihr Wille. Was ihr noch gutgetan hat? „Doktor Google habe ich nie befragt, das verunsichert doch nur“. Das sagt sie heute rückblickend. Im letzten Dezember, fünf Jahre nach der Diagnose, kam die Erlösung: Geheilt. So das Urteil der Mediziner nach der Abschlussuntersuchung.