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Der Polizei-Dino stirbt aus

Seit 20 Jahren klärt das Maskottchen Poldi Kinder in Schulen und Kitas über Gefahren auf. Jetzt wird es weggekürzt.

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© dpa

Von Henry Berndt

Viele sehen ihn als den bekanntesten sächsischen Polizisten. Der bei Kindern beliebteste ist er allemal: Poldi, der dicke grüne Dino in weißer Uniform. 1994 wurde die Figur von Mitarbeitern des sächsischen Landeskriminalamtes entwickelt und zum Symbol für die aktive Prävention in Sachsen aufgebaut. Für viele Kinder ist es der erste Kontakt mit der Polizei überhaupt. Grundschulen und Kindergärten reißen sich um ihn. So wie die Kita Spitzgrundspatzen in Coswig. Im vergangenen Jahr kam der Dino endlich in ihre Einrichtung, erzählte den Kindern, wie man richtig Hilfe holt und was Selbstbestimmung ist. Auch Rollenspiele gab es.

Allein im vergangenen Jahr hatte Poldi 128 Auftritte in ganz Sachsen. In diesem Jahr war es bislang 50. Längst gibt es auch ein Poldi-Brettspiel und eine Poldi-CD. Ja, man kann sagen: Dieser Dino ist ein Star.

Wenn es ums nackte Geld geht, nützt auch das allerdings wenig, wie sich nun zeigt. Sachsens Innenministerium will die Präventionsarbeit neu organisieren – und zieht Poldi aus den Kindereinrichtungen ab. Rund 30 000 Euro pro Jahr ließ sich das Land seinen Dino bislang kosten, nun wird er ein prominentes Opfer des Stellenabbaus: „Ab dem Schuljahr 2015/2016 wird die Polizei keine Veranstaltungen mehr in Kindertagesstätten durchführen, ab dem Schuljahr 2016/2017 auch nicht mehr in Grund- und Förderschulen“, bestätigt Ministeriumssprecherin Pia Leson. Für den Erstkontakt mit der Polizei werde künftig der Arbeitsbereich Öffentlichkeitsarbeit anstelle der Prävention zuständig sein. Verstärkt solle dafür das Polizeiorchester zum Einsatz kommen.

Brief an den Präsidenten

Auch in der Kita Spitzgrundspatzen wird sich Poldi nun nicht mehr blicken lassen – zum Ärger von Leiterin Heidi Kahlert. „Damit geht so viel verloren“, sagt sie. In dieser Woche schrieb sie kurzerhand einen Brief im Namen der Kinder an Polizeipräsident Jürgen Georgie. Doch das Thema ist wohl durch: Mit Poldi werden die meisten Kinder in Sachsen künftig nur noch durch Plüschtiere, Schlüsselanhänger und Luftballons in Kontakt kommen. Immerhin: Auf ausgewählten Großveranstaltungen wie dem Zuckertütenfest oder dem Verkehrssicherheitstag soll der Dino auch noch persönlich auftauchen.

„Das ist doch witzlos“, sagt Ronald Börner, pensionierter LKA-Beamter und Poldis Erfinder. „Warum sollte man künftig noch eine Figur auftreten lassen, die die Kinder gar nicht kennengelernt haben?“ Der Dino sei der größte Exportschlager der sächsischen Polizei gewesen. Etliche Bundesländer hätten die Idee der spielerischen Präventionsarbeit aufgegriffen, selbst Polen und Österreich. „Ich habe Verständnis für die Sparzwänge. Aber weshalb hat man Poldi dann nicht outgesourct? Stattdessen wird die Idee einfach aufgegeben. Das macht mich sehr traurig.“ Für Börner sei Poldi nie nur ein einfaches Maskottchen gewesen, sondern eine Symbolfigur, die sich um die Sicherheit der Kinder bemühe. Fast täglich bekomme er gerade besorgte Anrufe, auch von Lehrern, die die Entscheidung bedauern. Die vielen Facetten der Prävention nun einfach so als Unterrichtsstoff zu vermitteln wie Rechtschreibung oder Heimatkunde – das werde nicht funktionieren, ist er sich sicher.

Genau so soll es aber laut Innenministerium kommen. „Die sogenannte Primärprävention ist Aufgabe der Eltern, der Kindertagesstätten und der Grund- und Förderschulen“, sagt Sprecherin Pia Leson. Der Fokus verlagere sich dabei von Einzelmaßnahmen auf die kontinuierliche Einbindung dieser Themen in den Unterricht. Die Polizei wiederum soll sich auf ihre „polizeilichen Kernaufgaben“ konzentrieren. Lehrer und Erzieher werden nur noch über Schulungen und durch die Bereitstellung von Informationsmaterial unterstützt.

Die Opposition schäumt

Quer durch die Opposition im Landtag geht nach Poldis beschlossener Absetzung ein Aufschrei des Entsetzens: „Jetzt soll der Rotstift auch schon bei den ganz Kleinen angesetzt werden“, sagt Grünen-Sprecher Christian Storch. Vor dem Hintergrund zahlreicher Unfälle von Kindern auf Sachsens Straßen sei die Entscheidung nicht nachvollziehbar. Ins gleiche Horn stößt die Linke: „Ausgerechnet bei dieser Sympathiefigur zu sparen, halten wir für den falschen Weg“, sagt deren Sprecher Thomas Dudzak. Damit falle der Innenminister der Polizei erneut in den Rücken. Die AfD wirft Markus Ulbig (CDU) sogar Wortbruch vor. Habe der doch „in den letzten Monaten immer wieder versichert, wie wichtig ihm das Maskottchen als Sympathiefigur für die Polizei sei“.

Einen Schritt weiter geht die Familien-Partei Sachsen. Sie rief eine Onlinepetition namens „Poldi muss bleiben“ ins Leben und gründete darüber hinaus die Facebookgruppe „Rette Polizei Poldi“, die immerhin schon mehr als 80 Anhänger hat.

Im Innenministerium kann man die Aufregung nicht nachvollziehen und wehrt sich gegen den Eindruck, mit dem Aus für Poldi werde gleich die landesweite Präventionsarbeit eingestellt. Im Gegenteil soll die Arbeit in diesem Bereich viel besser vernetzt werden. Vorbild dafür ist das Projekt „Prävention im Team“ (PiT), das bislang in den Landkreisen Bautzen und Görlitz die Landeskreisverwaltung, die Schulbehörden und die Polizei an einen Tisch bringt. Künftig soll PiT auf ganz Sachsen ausgeweitet werden – auch ohne Dino.