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Der Rest vom höchsten Schornstein

Immer wieder haben sich die Abbrucharbeiten verzögert. Zum Schlussakt kommt besonders schweres Gerät zum Einsatz.

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© Christian Juppe / Rene Meining (2)

Von Annechristin Bonß

Was passiert mit dem Reicker Schornstein? Diese Frage treibt derzeit nicht nur die Bauleute bei der Drewag um. Beinahe täglich erkundigen sich auch Passanten und Schaulustige, wie es mit dem Abbruch weitergeht. So manch ein Bau-Fan macht jeden Tag ein Foto von dem Koloss, um die Arbeiten zu dokumentieren. War der Schornstein doch bisher das zweithöchste Bauwerk Dresdens. Doch seit vergangenem Herbst wird er abgetragen. Nach 40 Jahren im Einsatz für Dresdens warme Wohnungen.

Weil die Instandhaltung des Riesen mehrere Hunderttausend Euro gekostet hätte und der Schornstein ohnehin zu groß gewesen ist, muss er weichen. Ersatz gibt es bereits. Das Heizkraftwerk in Reick wird nur genutzt, wenn es in Dresden richtig frostig ist und die Heizungen in den Wohnungen auf Hochtouren laufen. Ist das jetzt der Fall, gibt es zwei neue 50 Meter hohe Stahltürme. Für die Hauptversorgung der Stadt mit Wärme ist das Heizkraftwerk an der Nossener Brücke verantwortlich.

Doch so einfach wie geplant wollte der Schornstein nicht weichen. Die Arbeiter hatten einen sogenannten Spinnbagger auf der Spitze montiert. Der hat den Turm Stück für Stück von oben abgefräst. Die losen Steine fielen in das Innere und wurden unten aus dem Schornstein geholt. Nun lagern Stahl und Beton neben dem Rumpf des Schornsteins. Die Materialien werden getrennt, zerkleinert und sollen später wiederverwendet werden. Zum Beispiel als Untergrund bei Bauarbeiten.

Zehn Meter pro Tag hätten unter normalen Bedingungen dank des Spinnbaggers verschwinden können. Eigentlich sollte schon Ende 2017 vom Schornstein nichts mehr übrig sein. Der starke Wind, der immer wieder in den Wintermonaten aufkam, hat dies verhindert. Ab einer Stärke über 50 Stundenkilometer darf niemand mehr auf dem Schornstein arbeiten, sagt der Projektleiter Hans-Joachim Ettrich. Dann steht der Bagger still. Das haben auch die aufmerksamen Schaulustigen beobachtet. Und sich wieder bei der Drewag gemeldet.

Risiken bei der Sprengung

Dazu kommt, dass der Spinnbagger nicht bis ganz nach unten arbeiten kann. 50 Meter stehen jetzt noch vom Schornstein. Der hat auf dieser Höhe einen Durchmesser von zehn Metern. Diese Weite kann der Spinnbagger kaum mehr überspannen. Die Arbeiter haben deshalb drei verschiedene Szenarien diskutiert, wie es weitergehen könnte. Ein größerer Spinnbagger hätte erheblich mehr Lärm gemacht. Ein kontrollierter Einsturz nach Sprengung hätte bis zu 31 Wochen vorher bei der Deutschen Bahn angemeldet werden müssen. Die S-Bahn-Linie verläuft direkt neben dem Areal. Für die Sprengung hätte der Fahrplan angehalten werden müssen. „Die Risiken bei der Sprengung waren abschätzbar, aber vorhanden“, sagt der Projektleiter.

Nun kommt ab kommender Woche eine Hydraulikschere zum Einsatz. Die ist an einem Kran befestigt. Über sechs Tonnen wiegt diese Schere. Noch liegt sie am Fuß des Schornsteines. Die Aufbauarbeiten beginnen nach Ostern. Mit der Schere werden die restlichen 50 Meter von oben abgetragen. Ende April soll vom Schornstein tatsächlich nichts mehr übrig sein. Die Bauleute sind optimistisch, dass es dieses Mal mit dem Zeitplan klappt. Die letzte Etappe beim Abriss soll zügig klappen. Der Wind jedenfalls sollte dieses Mal nicht Grund für Verzögerung sein, sagt Hans-Joachim Ettrich. (mit SZ/noa)