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Der Schneck ist auf der Schnecke

Im Weingut Drei Herren wird ein Kunstpfad angelegt. Die Krönung wurde jetzt aufgesetzt.

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© Arvid Müller

Von Peter Redlich

Radebeul. Rainer Beck ist verzückt. Wieder ein Stückchen mehr Kunst im Weinberg der Drei Herren. Beim Glas Wein unterm schattigen Blätterdach hat er das mit Detlef Reinemer ausgeheckt. Auf die Schnecke muss ein Schneck obendrauf.

Die beiden kennen sich schon eine Weile – von der Dresdner Hochschule für Bildenden Künste. Beide Professoren im Ruhestand. Beck ist der wesentliche Geldgeber im Weingut. „Mit den historischen Dingen leben, nicht nur behütete Mumien haben“, ist so ein Satz, der von ihm kommt, wenn er mit Genugtuung auf seine neue Erwerbung schaut, wie sie gerade vom stabilen Kran auf die steinerne Schnecke hoch droben am Hermannsberg aufgesetzt wird.

Diese Freude verschaffte ihm der Radebeuler Bildhauer Detlef Reinemer. Über ein Jahr hat Reinemer am neuen Werk gearbeitet, die Form in einer großen Keramikbrennerei zusammengesetzt. Zuerst gab es die ganz praktische Idee, dass der Kamin, der Abzug auf der Schnecke, nicht nur ein schnödes Loch sein, sondern einen Hut haben sollte. Schließlich gab es solche, nach einem Schneckenhaus gebauten hüttenartigen Gebäude nur zweimal in Deutschland, sagt Beck. Und das einzige, welches noch existiert, ist das Radebeuler bei den Drei Herren oberhalb der Weinbergstraße.

Als die Schnecke in den letzten Jahren immer mehr ihre Steine verlor, entschloss sich der Professor, das imposante Bauwerk zu sanieren. Neue Bruchsteine zeugen von der Steinsetzerfertigkeit und dem Aufwand – ein Quadratmeter kostet mindestens 400 Euro.

Und der krönende Abschluss kam gestern Mittag per Kran drauf. Beck beschreibt es so: „Der Bildhauer Detlef Reinemer hat in wetterfester, farblich gefasster Keramik eine monumentale Kopfplastik geschaffen, die den bislang unvollendet gebliebenen Kaminauslass auf seiner Spitze spektakulär gestaltet.“ Etwa 135 Zentimeter hoch und im Durchmesser 140 Zentimeter, schaut der Schneck mit rätselhaftem Gesichtsausdruck über das Elbtal. Seine bemalte Haut ist mit Stahlbändern bewehrt und durch Schmuckelemente ergänzt, bei auffallendem Rot der vollen Lippen und halbgeschlossenen, ebenfalls roten, blauumrandeten Augen. Ein kleines Spitzbärtchen am Kinn. Der Kopf mit chinesischen Schriftzeichen verziert. Beck sagt, dass passe gut. Im Weingut wurde ähnliche Schrift entdeckt. Aus dem Antlitz des Schnecks strahlen nachdenkliche Wachsamkeit und die Andeutung eines asiatisch anmutenden, seligen Lächelns. Krieger und Mönch in einem, füge er sich als perfekter Ehegatte in vollendender Harmonie in die vorhandene Architektur seiner steinernen Schnecke. Und ganz praktisch: Durch Auslässe aus Nase, Ohren, Augen und ‚Hirnfühlern‘ wird der Schneck weithin sichtbar seine Rauchsignale ins unter ihm gelegene Radebeul senden, sofern ihm seine Gattin über den in ihrem Inneren gelegenen Kamin entsprechend einheizt.

Die neue Plastik von Detlef Reinemer ist Teil des im Entstehen begriffenen Wein- und Kunstwanderwegs des Weingutes Drei Herren durch die Steillage des Hermannsberges. Beck will den Weg noch mit weiteren Plastiken in den nächsten Wochen ergänzen. Erstmals kann der Weg, mit dem Schneck am oberen Ende, anlässlich des Hoffestes am kommenden Wochenende besichtigt werden.