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Der Star auf Neukirchs Wochenmarkt

Stanislaw Rudziak ist bei den Kunden beliebt. Wer ihm und seiner Frau bei der Arbeit zuschaut, weiß warum.

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© Steffen Unger

Von Ingolf Reinsch

Neukirch. Die Schlange reißt nicht ab. Immer wieder kommen neue Kunden an den Obst- und Gemüsestand, schauen sich um, wählen Ware aus, stellen sich geduldig an. Dabei geht es Stanislaw Rudziak, dem Mann hinterm Ladentisch, flott von der Hand. Er füllt Tüten voll mit Bohnen, Tomaten, Einweck-Gurken, Kirschen, wiegt es ab, kassiert. Und obendrein hat der 49-Jährige noch ein freundliches Wort für seine Kunden, „Was haben Sie denn gemacht?“, fragt er mitfühlend einen Mann, der mit verbundenem Arm am Verkaufstand steht.

Jeden Mittwoch kommt Stanislaw Rudziak nach Neukirch zum Wochenmarkt im Hof des ehemaligen Rittergutes. Manchmal begleitet ihn seine Frau Agnieszka. Seit Mai 2013 gehören die beiden zum Händlerstamm. Neukirch ist einer von vier Wochenmärkten in Deutschland, auf die sie fahren. Dienstag sind sie in Gaußig, Donnerstag und Freitag im Dresdner Umland. In ihrem Kleintransporter haben sie das volle Sortiment eines gut sortierten Gemüsegeschäftes mit – alles frisch und vieles wie gemalt, darunter Erd-, Heidel-, Him- und Brombeeren. Ein Kunde fragt am späten Vormittag nach frischen Waldpilzen. Da muss Stanislaw Rudziak passen. Die beiden Körbe mit Steinpilzen, die er diesmal mit hatte, sind schon weg. Auch polnische Pralinen sowie Käse aus dem Nachbarland sind bei den Marktbesuchern gefragt.

Tag beginnt um vier Uhr morgens

Stanislaw Rudziak und seine Frau sind in Brody zu Hause. Der Ort liegt etwa zehn Kilometer hinter der deutsch-polnischen Grenze bei Forst. Anderthalb Stunden braucht er für die Fahrt nach Neukirch, zwei weitere Stunden, um alles aufzubauen und die Ware gut zu präsentieren. Ist seine Frau mit, geht es schneller. Dann beginnt der Tag für die beiden erst 4.45 Uhr. Ansonsten steht Stanislaw Rudziak schon früh um vier auf. Spätestens um Fünf ist er auf der Autobahn.

Der 49-Jährige ist wendig. Am Verkaufsstand. Und in seiner beruflichen Entwicklung. Er lernte Schlosser und Schweißer, arbeitete später 15 Jahre lang bei einem Obstbauern am Bodensee und kehrte dann in seine polnische Heimat zurück. Der Vater eines jetzt zwölf Jahre alten Sohnes sattelte um auf die Solarbranche. Er montierte Photovoltaikanlagen, vor allem für Kunden in Deutschland. Fünf, sechs Jahre brummte das Geschäft. Dann flaute der Solarboom hierzulande ab. „Ich saß Anfang 2013 zu Hause und hatte keine Aufträge“, sagt Stanislaw Rudziak. So entschloss er sich zu einem erneuten Berufswechsel und wurde Markthändler.

Fast alles, was bei ihm über den Verkaufstisch geht, kauft Stanislaw Rudziak frisch bei Großhändlern. Einige wenige Erzeugnisse produziert er zu Hause selbst: Kartoffeln und Zwiebeln. „Wir haben eine kleine Landwirtschaft“, berichtet der Markthändler. Doch den ganzen Bedarf seiner Kunden an diesem Gemüse kann er damit nicht abdecken. Also kauft er auch Kartoffeln und Zwiebeln zu.

Auf dem Neukircher Wochenmarkt ist Stanislaw Rudziak – neben dem Mann an der Gulaschkanone – der Star. Frau Lehmann ist nicht die Einzige, die des Lobes voll ist: „Er ist immer freundlich, immer zuvorkommend, immer gefällig“, sagt sie, während sie eine riesige Meerrettichwurzel in ihrem Einkaufsbeutel verstaut. „Die hat er extra für mich mitgebracht. Ich habe sie letzte Woche bestellt“, ergänzt die Neukircherin.

Tolles Angebot und faire Preise

„Sind die Äpfel frisch?“, fragt Klaus Rentsch. „Ja, neue Ernte“, erwidert Stanislaw Rudziak in fließendem Deutsch. Der Neukircher füllt sich einen Beutel mit den großen Früchten. „Ein tolles Angebot und faire Preise“, sagt er. „Und das meiste ist frischer, als man es im Supermarkt bekommt“, ergänzt Klaus Rentsch. – Dem stimmen andere zu. Angela Meyer, eine ehemalige Neukircherin, die jetzt in Baden-Württemberg lebt und zu Besuch in der alten Heimat ist, ist zum ersten Mal auf diesem Wochenmarkt und überrascht vom großen Angebot am Gemüsestand. Sie kauft Südfrüchte, ein Kilo Wachsbohnen, nimmt Pralinen verschiedener Sorten zum Kosten mit und entdeckt dann hinter einer Glasscheibe den Käse. Schnell hat Stanislaw Rudziak eine große Packung zur Hand und schenkt sie der Ex-Neukircherin. „Zum Probieren“, sagt er mit einem charmanten Lächeln. Der Mann aus dem Nachbarland ist zwar Markthändler, aber kein Marktschreier, der seine Waren anpreisen muss, um sie an den Mann zu bringen. Die Leute kommen auch so zu ihm – gezielt, durch Zufall oder auf Empfehlung. Wie der Mann im mittleren Alter, der Erdbeeren braucht, die er beim Aufsetzen seines Rumtopfes vergessen hatte. „Man hat mir gesagt, hier bekomme ich noch welche“, erzählt er, während er mit seinem Schälchen geduldig in der Schlage steht.

Für den Neukircher Wochenmarkt ist der Gemüsemann aus dem Nachbarland eine Bereicherung, heißt es beim Verein Mehrgenerationenhof, der den Markt organisiert. Neben dem Gemüsehändler und der Gulaschkanone gehören auch eine Textilhändlerin, ein Bäcker und in der kälteren Jahreszeit ein Fischhändler zum Stamm. Hinzu kommen Verkäufer, die gelegentlich in Neukirch Station machen, zum Beispiel mit Haushaltswaren.

Bis Mittag hat Stanislaw Rudziak seinen Stand geöffnet. Dann baut er ab. Eine gute Stunde Arbeit vor der anderthalbstündigen Heimfahrt. Nächsten Mittwoch früh wird er wieder als einer der Ersten im Hof des Rittergutes stehen. Wenn gegen Acht die ersten Kunden kommen, soll alles an seinem Stand vorbereitet sein. So wie es die Neukircher kennen und mögen.