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Der Tornado tobte nur ein paar Minuten, doch: Das Haus ist futsch

Am Pfingstmontag verlor Familie Rücke in Kleinthiemig ihr Obdach. Die Versicherungzahlte bislang keinen Cent.

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Von Sandro Rahrisch

Es ist der Gedanke, selbst angepackt zu haben, der das eigene Heim erst so richtig wohnlich macht, sagt Sandro Rücke. Erst Mitte Mai bezogen der 33-Jährige, seine Frau und die Kinder die neue Küche. Besonders stolz ist der Handwerker auf den antiken Kachelofen mit ebener Kochfläche. Nur eine Woche später hat die vierköpfige Familie kein Dach mehr über dem Kopf und muss ihren Heimatort Kleinthiemig bei Großenhain auf unbestimmte Zeit verlassen.

Es ist der Pfingstmontag, der alles verändert. Zum Kaffeetrinken verdunkeln sich die Gewitterwolken bedrohlich schwarz, dann wütet ein Tornado und raubt der Familie ihr Haus. „Das 120 Jahre alte Satteldach hob binnen weniger Sekunden ab und zerschmetterte auf dem Hof“, sagt Simone Rücke. Den ohrenbetäubenden Knall hört die Familie nicht. Sie rette sich ins Haus, bevor die ersten Dachziegel durchs Stubenfenster flogen. „Der Sturm schleuderte die Scherben in das Gesicht meiner Tochter. Ich betete, dass sie sich nicht blind wird.“

Wiederaufbau nicht möglich

Als das Unwetter von Kleinthiemig ablässt, wird das ganze Ausmaß sichtbar. Auch die dickstämmigen Nussbäume riss der Tornado zu Boden. Das Regenwasser sickerte in die Wände und tropfte sogar von den Decken im Erdgeschoss.

Einen Monat nach der Katastrophe türmt sich noch immer ein riesiger Schuttberg vor dem Eingang des Hauses. Bewohnbar ist die Wohnung nicht mehr. Deshalb leben die Rückes nun in Großenhain auf 60 Quadratmetern. Die vier- und sechsjährigen Kinder sind verstört, wollen wissen, ob sie jemals wieder nach Hause zurückkehren werden. „Wenn wir mit dem Auto an der Ruine vorbeifahren, halten sich die Mädchen die Augen zu“, sagt Sandro Rücke.

Das Haus sei nicht mehr aufzubauen und könne nur noch abgerissen werden. Ob an gleicher Stelle ein neues Gebäude entstehen wird, ist ungewiss. Denn bisher hat die Versicherung keinen Cent gezahlt. Der Gutachter sei schon mehrmals vor Ort gewesen, stelle immer neue Fragen. Nach Ansicht des Familienvaters beläuft sich der Schaden auf mehr als 250000 Euro. Deckt die von der Versicherung angebotene Summe den nicht, will sich die Familie einen Anwalt nehmen. Dass dies ein langwieriger Prozess werden könnte, darauf haben sich die Opfer eingestellt. „Zwei Jahre werden wir bestimmt in Großenhain leben“, sagen sie. Fest steht auch: Ein Neubau wird das wohnliche Gefühl der alten Wohnung nicht zurückbringen können.

Das Unwetter vom Pfingstmontag richtete ersten Schätzungen des Innenministeriums zufolge einen Schaden von mehr als 100 Millionen Euro an. Ministeriumssprecher Frank Wend sagte: „Wir gehen davon aus, dass die Versicherungen in erheblichem Umfang einspringen werden.“ In welchem aber genau, ließ er offen.