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Der Unfallfahrer ohne Erinnerung

Bei einem Unfall bei Bannewitz wurden im August 2017 zwei Männer schwer verletzt. Bis heute fehlt eine plausible Erklärung.

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© Roland Halkasch

Von Yvonne Popp

Freital. Es war kein typischer Verkehrsunfall, den ein Mann aus Freital am 28. August vergangenen Jahres verursacht haben soll. Bei besten Sicht- und Fahrbahnverhältnissen fuhr er nachmittags mit seinem Citroen auf der Staatsstraße S 191 Richtung Bannewitz. Mit einer Breite von acht Metern ist die Ortsumgehung gut ausgebaut und über weite Strecken einsehbar. Dennoch kam der 37-Jährige in einer langgezogenen Rechtskurve von der Fahrbahn ab und geriet in den Gegenverkehr, wo er zuerst einen Skoda streifte und kurz darauf frontal in einen ebenfalls entgegenkommenden VW Golf krachte.

Dieser Aufprall war so heftig, dass sich der Citroen überschlug und neben der Fahrbahn auf dem Dach zum Liegen kam. Sowohl der Freitaler als auch der Fahrer des VW-Golf erlitten dabei zum Teil sehr schwere Verletzungen.

Seit dieser Woche muss sich der Citroen-Fahrer wegen fahrlässiger Körperverletzung am Amtsgericht in Dippoldiswalde verantworten. Im Mittelpunkt des Verfahrens steht die Frage, wie es zu diesem schweren Unfall hatte kommen können – denn die Umstände muten durchaus ungewöhnlich an.

Unfallbeteiligte sowie mehrere Zeugen hatten beschrieben, dass der silberne Wagen nicht abrupt, sondern nach und nach von seiner Fahrspur abgekommen war. „Irgendwann fuhr er dann mittig auf der Trennlinie“, sagte eine Autofahrerin, die zusammen mit ihrer Tochter direkt hinter dem Unfallfahrer unterwegs gewesen war. Beide fanden das merkwürdig. Die Tochter fragte sich sogar noch, warum der Mann mitten auf der Straße fuhr. Danach war alles sehr schnell gegangen. Wie der Citroen den Skoda touchierte, hatte die Frau gesehen. Wie es zu dem zweiten Aufprall kam, aber nicht.

Ein anderer Zeuge berichtete dann, dass es nach dem ersten Anstoß zu keiner Reaktion seitens des Angeklagten gekommen sei. Weder habe er seinen Citroen abgebremst noch die Richtung korrigiert. Allein durch den seitlichen Aufprall, so erklärte dieser zweite Zeuge, sei der Mann kurz wieder auf die richtige Fahrspur geraten – nur um Sekunden später erneut auf die Gegenfahrbahn zu schwenken, wo er schließlich mit dem VW zusammenstieß und sich anschließend überschlug.

War er abgelenkt, hatte er gesundheitliche Probleme oder war gar ein technischer Defekt die Ursache, weswegen er von seiner Fahrbahn abgekommen war?

Eine Antwort auf diese Fragen hatte der Angeklagte in Dippoldiswalde nicht. Selbst schwer verletzt und bis heute an den Folgen leidend, kann er sich an den Unfall nicht erinnern. Einzig einen technischen Defekt hatte er damals noch im Krankenhaus als Ursache ausgeschlossen, da der Wagen erst kurz zuvor in der Werkstatt gewesen war. Allein auf diese Aussagen hin hatte die Staatsanwaltschaft darauf verzichtet, das Auto von einem Kfz-Sachverständigen begutachten zu lassen. Auch waren keine Untersuchungen hinsichtlich der Fahrtüchtigkeit des Beschuldigten vorgenommen worden, da es laut Polizei keine Anhaltspunkte für Alkohol- oder Drogenkonsum gegeben hatte.

Nach der Aussage zahlreicher Zeugen war für das Gericht am Ende des ersten Prozesstages der Unfallhergang beziehungsweise dessen Ursache nach wie vor nicht geklärt. Deshalb müssen bei einem Fortsetzungstermin Mitte April weitere Zeugen gehört werden. Dazu soll ein Gutachter prüfen, ob nicht doch ein technisches Versagen vorgelegen hat.