Merken

Detektive am Stammtisch

Pensionschef Sebastian Wenger hat von Kriminalität die Nase voll. Ideen dagegen sucht er auf ungewohnten Wegen.

Teilen
Folgen
NEU!
© Pawel Sosnowski/80studio.net

Von Ralph Schermann

Görlitz. Eugen und Fadi sind Citydetektive – in Kooperation mit dem Einzelhandelsverband. Mit drei weiteren Mitarbeitern wurden sie von 40 Händlern beauftragt, Dieben das Handwerk zu legen. Sollte sich ein Tatverdächtiger im Geschäft aufhalten, werden Citydetektive vom Verkaufspersonal verständigt und übernehmen die Observation. Um in der Nähe zu sein, patrouillieren sie unauffällig auf der Einkaufsmeile. „Wir arbeiten im Kampf gegen Diebesbanden eng mit der Polizei“, betont Eugen. Ein neues Görlitzer Modell? Weit gefehlt. Eugen und Fadi arbeiten in Bielefeld.

Sebastian Wenger hätte sie auch gern an der Neiße. Der Pensionsbesitzer von der Uferstraße startete zum Jahresbeginn den Versuch, ein „Gremium für Aktivitäten gegen Kriminalität“ ins Leben zu rufen, kurz Sicherheitsstammtisch. Auf Initiative Wengers trafen sich Vertreter von Tourismusverein, Aktionsring Handel und Allgemeinem Unternehmerverband bisher zweimal. Der Leiter des Görlitzer Polizeireviers, Dirk Linczmajer, ist als beratender Gast dabei. Die Stadtverwaltung hat es „mit Interesse aufgenommen“, sagt Oberbürgermeister Siegfried Deinege, will die weitere Entwicklung aber erst einmal abwarten.

Sebastian Wenger aber will nicht länger warten. Er beobachte die Entwicklung der grenznahen Kriminalität seit Jahren: „Es wird schlimmer.“ Das deckt sich mit wissenschaftlichen Untersuchungen, die Görlitz schon seit 2007 ein Abnehmen des subjektiven Sicherheitsgefühls bescheinigen. „Es macht Angst, wenn man das Gefühl hat, dass jeder Schritt von krimineller Seite beobachtet wird“, sagt Wenger.

Kann jeder ein Citydetektiv werden?

Wer gewerbsmäßig fremdes Eigentum bewachen will, muss eine Unterrichtung bekommen oder eine Sachkundeprüfung haben.

Kontrollen im öffentlichen Raum oder in Gebäuden mit öffentlichem Verkehr, Schutz vor Ladendieben und Bewachung am Einlass gewerblicher Diskotheken bedürfen einer Sachkundeprüfung. Für andere Tätigkeiten reicht eine Unterrichtung aus.

Bewachung liegt nur dann vor, wenn „fremde“ Gegenstände bewacht werden. Angestellte im Kaufhaus, die die Aufgabe haben, auf Waren des Arbeitgebers aufzupassen, bewachen keine fremden Gegenstände. Folglich muss dieses Personal keine Sachkundeprüfung absolviert haben. Angestellte, die Pfortendienste ausüben, bewachen ebenfalls kein fremdes Gebäude.

1 / 3

Dagegen gibt es zwei Wege: Erstens private Sicherheitstechnik, was mancher Geschäftsmann längst mit dem Einbau höherwertiger Schließanlagen beherzigte. Als zweiter Weg gilt der Notruf bei der Polizei schon beim kleinsten Verdacht. So bestätigt es auch der Leiter des Polizeireviers: „Zeugenhinweise sind entscheidend.“ Sebastian Wenger reicht das nicht. Der Kleinkriminalität werde man so kaum Herr. Er spricht von „bandenmäßig organisierter Massenkriminalität“. Dagegen vorzugehen, will er im Verbund mit anderen Betroffenen deutlich fordern. Beim jüngsten Stammtisch formulierte er einen „12-Punkte-Aktionsplan“. Seine Grundidee besteht darin, viele Aktionen „konzertiert und zeitlich befristet“ zu starten. Die drei Vereine und Verbände sollen den Plan jetzt mit ihren Mitgliedern diskutieren. Beim nächsten Stammtisch im September soll es dann konkret werden, welche der zwölf Ideen Wengers wann und wie umgesetzt werden.

Bis das feststeht, will Wenger seinen „12-Punkte-Plan“ noch nicht öffentlich machen. Dazu gehören aber auf jeden Fall Wünsche nach mehr Polizeipräsenz und nach Videoüberwachung von Brücken und Plätzen. Für so etwas ist tatsächlich ein Pilotprojekt in Arbeit. Einen großen Umfang seiner Pläne will Wenger der Prävention widmen, will mithilfe der Polizei spezielle Info-Veranstaltungen aufbauen. Es wird um Kooperationen mit privaten Sicherheitsfirmen gehen, und dabei auch um besagte Citydetektive. Ob Wengers Wunsch aufgeht, solche Detektive wie Politessen beim Ordnungsamt anzustellen oder zumindest städtisch mit zu bezahlen, darf aber bezweifelt werden. Bürgermeister Michael Wieler jedenfalls hält davon nichts. Er glaubt nicht, dass es „tatsächlich eine Stadt gibt, die so etwas finanziert.“ Denn „zur Sicherheitszuständigkeit einer Großen Kreisstadt gehört nicht die Verfolgung von Kriminalitätsdelikten.“ Tatsächlich sind Citydetektive in vielen Städten lediglich eine Form privater Sicherheitsdienste, meist von Firmen bezahlt, die sich dafür zusammentun. Sie besitzen keine hoheitlichen Rechte, müssen im Zweifel also immer die Polizei verständigen.

In der Stadt Hagen hat so ein System viele Jahre funktioniert. Dort finanzierte ein Verbund von Geschäftsleuten einen Pool, aus dem City-Streifen bezahlt wurden. „Die Laden- und Taschendiebstähle gingen zurück“, bestätigt ein Hagener Polizeisprecher und lobt das Projekt, weil „das Sicherheitsgefühl der Bürger durch die zivilen Streifen gestärkt wird.“ Inhaber kleiner Läden zahlten weniger als Ketten, der höchste Monatsbeitrag war 400 Euro. Doch gerade wegen der größeren Ketten scheiterte das Projekt dann doch: In den Konzernzentralen interessiere sich kaum jemand für spezielle Belange einer abgelegenen Filiale. Für die Finanzierung von Wengers durchaus guten Ideen dürfte also auch in Görlitz noch einiges zu diskutieren sein.