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Deutsche Bahn rangiert Dresdens Güterbahnhof aus

Dresden-Friedrichstadt winkt eine idyllische Zukunft. Für einen Rangierbahnhof, noch dazu einen der größten im Osten, sind Ruhe und sprießendes Grün jedoch keine verlockenden Aussichten. Schon gar nicht für die rund 200 Beschäftigten dort.

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Von Michael Rothe

Dresden-Friedrichstadt winkt eine idyllische Zukunft. Für einen Rangierbahnhof, noch dazu einen der größten im Osten, sind Ruhe und sprießendes Grün jedoch keine verlockenden Aussichten. Schon gar nicht für die rund 200 Beschäftigten dort. Nach Plänen der Deutschen Bahn (DB) werden die wichtigsten Aufgaben des Knotens nach Leipzig-Engelsdorf verlagert, auch der gesamte Grenzverkehr.

Dresden, wo vor allem Züge im Einzelwagenverkehr zusammengestellt werden, soll ab 2011 nur noch „Satellit mit Rangiermitteln“ sein, wie es im Bahnjargon heißt. Die Werkstatt dort wird „wegen rückläufigen Instandhaltungsbedarfs“ zum Stützpunkt mit abgespecktem Service degradiert. Wie viele Stellen genau wegfallen, mag Alexander Hedderich, seit 2009 Chef der DB Schenker Rail Deutschland AG, nicht sagen. „In der Detailschärfe“ sei noch vieles unklar. Es laufe wohl auf „eine dreistellige Zahl mit einer Eins am Anfang“ hinaus.

Das Top-Management der Bahn-Gütersparte bringt gerade sein Sparprogramm via Presse unters Volk und per Brief an die in Sachsen 1200-köpfige Belegschaft. Vage. „Die Pläne zur Änderung der Produktion ziehen insgesamt eine Personalanpassung um 15 bis 20 Prozent nach sich“, heißt es auf SZ-Nachfrage. Wegen des Beschäftigungspakts gebe es aber keine betriebsbedingten Kündigungen. Ausrangierten Kollegen werde anderswo im Konzern und nach DB-Tarifvertrag ein Job angeboten: an einem Bahnhof, in einer Werkstatt, als Fahrdienstleiter oder Lokführer.

Für Hedderich, einst Vertrauter von Ex-Bahnchef Hartmut Mehdorn, gibt es zum Abspecken keine Alternative: „Die Restrukturierung der Produktion ist überfällig.“ Beobachter sprechen von jahrelangen Versäumnissen in der Kapazitätsanpassung bei den Werkstätten. Auch deshalb habe Mehdorn-Nachfolger Rüdiger Grube die Führung der Sparte ausgetauscht.

„Die Krise hat das strukturelle Defizit aufgedeckt“, sagt Claus Weselsky, Bundeschef der Lokführergewerkschaft GDL. Seine kleine aber schlagstarke Truppe hat einen Aufsichtsratsposten bei DB Schenker Rail ergattert und ist so nah dran an den Entscheidungen. Aber selbst der neuen Obrigkeit unterstellt die GDL Verzögerungstaktik. Der Dresdner Weselsky spricht von einem „Stillhalteabkommen“, das die konkurrierende Gewerkschaft Transnet mit der DB geschlossen habe – „nur, um die Betriebsratswahlen im Frühjahr über die Bühne zu bringen“. Erst dann habe man die „Liste der Grausamkeiten“ hervorgekramt. Transnet-Sprecher Michael Klein nennt das „hahnebüchenen Unsinn“. Aber auch er sagt: „Was fehlt, ist ein Gesamtkonzept.“

Laut Hedderich, Ex-Wettbewerbsbeauftragter der Bahn, hat die DB seit 2008 im Gütergeschäft jede vierte Tonne verloren. So fehlten über eine Milliarde Euro in der Kasse. Schon 2009 habe man begonnen, Kapazitäten anzupassen und einige Anlagen vorübergehend nicht bedient. Jetzt würden nur „die temporären Maßnahmen zu dauerhaften gemacht“. „Es gibt keinen Kahlschlag in der Fläche“, sagt Hedderich. 72 der 1600 Güterverkehrsstandorte seien betroffen, 0,2 Prozent des Güterwagenverkehrs.

Neben dem Rangierbahnhof Dresden-Friedrichstadt als größtem Brocken in Sachsen ist auch die Meldestelle Reichenbach im Vogtland Opfer des Sparprogramms – und dicht. Wie die SZ erfuhr, werden die Verladestationen Radeberg und Radebeul-Ost nicht mehr bedient. Für Löbau, Bischofswerda und Heidenau ändert sich nichts. Leipzig-Engelsdorf profitiert nur vorübergehend vom Dresdner Aderlass. Wenn der neue Knoten Halle-Nord fertig ist, landen Dresdens und Leipzigs Aufkommen letztlich dort. Wieder nur vorerst?

„Konkurrenz wird ausgebremst“

Trotz der Erholung des Schienengüterverkehrs verteidigt Hedderich die Einschnitte, von denen der Südosten „überproportional betroffen“ sei. Die Bahn müsse effizienter werden und den „Schadwagentourismus“ zur Dresdner Werkstatt beenden. In der Region gebe es zu wenig Verkehr und zu viele Lokführer.

Uwe Wegat, Chef der ITL Eisenbahngesellschaft mbH in Dresden, sieht das nicht ganz so. Immerhin hat sein Unternehmen, einer der größten Güterbahnkonkurrenten der DB, im Krisenjahr 2009 ein Umsatzplus von 18 Prozent hingelegt – ohne Kurzarbeit. Auch 2010 soll das Geschäft wachsen auf gut 60 Millionen Euro. Wegat spricht von einer „Überreaktion“ des Marktführers. Missliebige Konkurrenz, die auf Dresden-Friedrichstadt angewiesen sei, werde so ausgebremst. Statt dort wolle ITL nun in Pirna bauen.