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Die Auferstehung eines Schlosses

Würde der Traum vom Feriendorf wahr, käme auch das Schloss wieder. Die SZ hat der Historie des zerstörten Baus nachgespürt.

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© SZ-Repro, Lutz Weidler

Von Eric Weser

Tiefenau. Gesprengt oder nicht? Über das Schicksal des Tiefenauer Schlosses gibt es zweierlei Meinungen unter den Bewohnern des Ortes. Was damals, drei Jahre nach Ende des Zweiten Weltkriegs wirklich passierte, wisse heute niemand ganz genau, sagt Ortschaftsrat Holger Wolf. „Darüber kann man nur spekulieren.“

Auf einer Bleistiftzeichnung hat der Bauforscher Heinrich Sulze die Tage der Schlosszerstörung dokumentiert.
Auf einer Bleistiftzeichnung hat der Bauforscher Heinrich Sulze die Tage der Schlosszerstörung dokumentiert. © SZ-Repro, Lutz Weidler
Wer heute vom Brunnen im Barockpark Tiefenau in Richtung des Schlossstandortes blickt, der sieht, dass sich die Natur das Areal zurückerobert hat.
Wer heute vom Brunnen im Barockpark Tiefenau in Richtung des Schlossstandortes blickt, der sieht, dass sich die Natur das Areal zurückerobert hat. © Lutz Weidler

Klar ist zumindest: Die barocke Anlage wurde auf Anweisung der sowjetischen Besatzungsmacht abgetragen. Am 9. September 1947 hatte der Oberste Chef der Sowjetischen Militäradministration den Befehl mit der Nummer 209 erteilt. Der besagte, dass kleinere Adelssitze zerstört und mit dem Material Neubauernhöfe errichtet werden sollen. Ziel war es, die Landwirtschaft in Gang zu bringen und die Nahrungsmittelversorgung sicherzustellen.

Doch der Besatzer-Befehl allein reichte nicht, um das Tiefenauer Herrenhaus in Schutt und Asche zu legen. Auch tatkräftige Mithilfe der Menschen aus dem Ort war notwendig. Offenbar erwiesen sich einige als besonders eifrig, beim Zertrümmern des Schlosses zu helfen, so Holger Wolf. „Vor allem rot angehauchte Kräfte.“

Sonderlich glanzvoll sei das Schloss unmittelbar vor seiner Zerstörung nicht mehr gewesen, leitet Holger Wolf aus Bildern und Quellen ab. Die langjährige Besitzerfamilie Pflugk hatte schon seit den 1910er Jahren nicht mehr in dem Gebäude gelebt. Reparaturen gab es noch einmal während der 1930er, als sich der Reichsarbeitsdienst in den Räumen eingemietet hatte. Die Nazi-Organisation baute damals Dämme an der Geißlitz, entschlammte Kanäle, legte Teiche an und errichtete Wehre.

In der Phase von 1933 bis 36 diente das Schloss als Arbeiterunterkunft für das einige Kilometer entfernte Gröditzer Stahlwerk, was Tiefenau einen Bahnhalt bescherte. Während der Weltkriegsjahre kamen im Schloss französische Gefangene unter. Nach Kriegsende gab der Bau bis zu seiner Zerstörung schließlich noch ein Intermezzo als Kinderheim.

Die längste Zeit hatte das Tiefenauer Schloss allerdings der Familie Pflugk als Sitz gedient. Es war Graf August Ferdinand von Pflugk, der die Flächen Anfang des 18. Jahrhunderts kaufte und auf den der Beginn des Schlossbaus zurückgeht. Der gebürtige Dresdner war Innenminister unter Kurfürst August dem Starken – und wollte anscheinend ein Stück von Dresdens barockem Glanz in die Röderaue holen. Wann genau mit dem Schlossbau begonnen wurde, weiß Ortschronist Holger Wolf nicht. Um 1710 soll es gewesen ein. Es sei daher denkbar, dass der 1712 verstorbene Bauherr die Vollendung des Baus gar nicht mehr erlebt hat.

Seine Witwe führte das Projekt fort. Auf sie geht auch der Bau der noch heute erhaltenen Schlosskapelle samt Silbermann-Orgel zurück. Die ist, genauso wie die Gartenpavillons, von der Zerstörungswut nach dem Krieg verschont geblieben und lässt zusammen mit dem Barockgarten erahnen, wie herrlich das Ensemble rund um das Schloss einst gewesen sein muss.

Dass eines der ehemals schönsten Barockschlösser Sachsens wieder aufersteht, dafür will Henry de Jong sorgen. Seit einem Jahrzehnt arbeitet der Niederländer an seinem Traum von einem großen Ferienresort in Tiefenau. Vor anderthalb Wochen stellte er seine neuen Pläne dafür vor. In denen spielt der Schlossbau eine Schlüsselrolle. Eine Rekonstruktion des Gebäudes soll demnach entstehen und ein Hotel werden. Schon 2019 sollen Hotelgäste residiert sein, wo das einst die Pflugks taten. Eine Herberge war das Schloss übrigens schon mal: Beim Zeithainer Lustlager, der großen Truppenschau von August dem Starken, nahm das sächsische Kronprinzenpaar im Juni 1730 für einige Tage in Tiefenau Quartier, sagt Holger Wolf. Ob der Kurfürst auch selbst in Tiefenau vorbeigeschaut hat? Belege gebe es keine, sagt Holger Wolf. Auch da könne man nur spekulieren.