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Die beiden Katjas

Zwei junge Dresdnerinnen wählen den schwereren Weg, um international zu überzeugen – bei Junioren-EM und -WM.

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© Arvid Müller

Von Alexander Hiller

Die Konstellation drängt sich geradezu auf. Ein freies Boot mit zwei Plätzen. Und zwei ähnlich veranlagte junge Frauen am Stützpunkt. Die auch noch auf denselben Vornamen hören. Katja und Katja. Hört sich nach einem ziemlich logischen Schritt an, den Ruder-Landestrainer Rüdiger Hauffe im September 2015 initiiert hat.

Die praktische Umsetzung der Theorie scheint für Katja Rübling (Dresdner Ruderclub) und Katja Fuhrmann (Laubegaster RV) bis dato fast perfekt geklappt zu haben. Die beiden 17-jährigen Dresdnerinnen vertreten den Deutschen Ruderverband bei der Junioren-EM in Trakai, bei der sie am Sonntag die Bronzemedaille gewannen, und Junioren-WM vom 21. bis 28. August in Rotterdam jeweils im Zweier ohne Steuermann. „Ich habe mich Anfang der Saison mit beiden zusammengesetzt und besprochen, was wir gemeinsam erreichen können und wollen“, sagt Rüdiger Hauffe. „Wir waren uns schnell einig, dass wir den Zweier ohne Steuerfrau zum besten in Deutschland formen wollen“, erklärt der Trainer.

Dieses Vorhaben ist gelungen – auch, weil die beiden jungen Damen tatsächlich mehr verbindet als der gleichlautende Vorname. „Als wir das erste Mal im Herbst gemeinsam im Boot saßen, habe ich schon gemerkt, dass wir relativ gleich und synchron rudern“, sagt Katja Rübling, die mit 1,79  Meter Körpergröße nur einen Zentimeter hinter ihrer Partnerin zurücksteht. Fuhrmann, Schwester des zweifachen Junioren-Weltmeisters Kai Fuhrmann, kommt eigentlich aus dem Skullbereich des Ruderns – wo also mit jeder Hand ein Ruder bedient wird. Rübling ist sogenannte Riemerin – fasst also mit beiden Händen nur ein Ruder. „Ich konnte mir das Riemenrudern bis dato gar nicht vorstellen“, sagt sie. Doch der Lernprozess verlief zügig. „Die Umstellung ging schnell, wir saßen zusammen im Boot. Das hat Spaß gemacht, können wir so weitermachen“, erklärt Fuhrmann lächelnd in knackigen Sätzen.

Die Lieblingsfarbe unterscheidet

Natürlich gibt es dennoch Unterschiede. „Sie“, sagt Katja Fuhrmann und nickt mit dem Kopf in Richtung Katja Rübling, „mag unglaublich gern Pink. Da bin ich nicht so“, erklärt Fuhrmann und verdreht ein ganz klein wenig die Augen. „Wir sind beide eher ruhige Typen“, streicht Rübling sofort eine Gemeinsamkeit heraus. „Und es ist auch nicht so, dass wir außer dem Rudern nichts gemeinsam machen“, ergänzt sie.

Letzteres lief auch in dieser Saison nicht immer rund. Anfang Juni stand das Saisonziel nach einem verpatzten Lauf bei der Nominierungs-Regatta in Hamburg auf der Kippe. Der ursprünglich beste deutsche Juniorinnen-Zweier landete nur im B-Finale. Ein WM-Platz in einem der deutschen Großboote – also Vierer oder Achter – wäre dennoch jederzeit drin gewesen, vermutet Rüdiger Hauffe. „Aber die Mädels haben sich für den schwereren Weg entschieden“, betont der Trainer – und sein ohnehin mächtiger Brustkorb erscheint plötzlich noch ein wenig breiter. Das Duo setzte alles auf den Zweier ohne Steuerfrau – und die letzte Nominierungsregatta, die deutsche Juniorenmeisterschaft. Gold im Zweier, JEM und JWM-Ticket. „Ich denke, dass es eine größere Leistung ist, wenn man für Deutschland den Zweier gewinnt. Im Achter sind mit Steuerfrau neun Leute für das Endergebnis verantwortlich. Bei uns nur wir zwei. Das hat für mich mehr Gewicht“, erklärt Katja Rübling die Entscheidung.

Das legt zumindest bei Rübling die Vermutung nahe, dass sich aus Niederlagen auch entsprechende Kräfte ziehen lassen. Denn die Zwölftklässlerin des Sportgymnasiums Dresden ist eine Aussortierte, durch das Raster der deutschen Sportförderung gefallen. Rübling war vorher als Schwimmerin des Dresdner SC an der Sportschule. „In der 8. Klasse ging es mit meiner sportlichen Leistung nicht mehr voran. Ich wurde von den Trainern aussortiert, war als Schwimmerin in ihren Augen nicht mehr gut genug.“ Sie stand vor der Wahl, eine andere Sportart für sich zu suchen oder das Sportgymnasium zu verlassen. „Rudern wollte ich eigentlich nicht – ich dachte nur, die sehen alle so kräftig aus.“ Diese Vorurteile hat Rübling natürlich abgebaut. Die beiden Katjas können sich mit ihren Figuren sehen lassen. „In den Sommerferien habe ich das Rudern dann mal probiert, es hat mir Spaß gemacht.“ Und das tut es immer noch. Vielleicht jetzt mehr denn je.

Denn das Katja-Doppel fühlt sich wohl zusammen. Sowohl auf dem Wasser als auch außerhalb. Das schweißt auch in kritischen Situationen zusammen. Die bleiben nicht aus, wenn man neun Monate lang wirklich jeden Tag miteinander arbeitet. „Na klar gibt es auch Momente, in denen man mal sauer ist, weniger miteinander redet. Wenig später ist dann alles wieder okay“, sagt Katja Fuhrmann. „Wir können uns ja nicht die ganze Zeit anzicken. Das funktioniert nicht“, ergänzt Katja Rübling.

Im Zweifelsfall findet man Kompromisse. Wie etwa beim Glücksbringer: „Wir ziehen immer die gleichen Socken an. Anfangs waren da Donuts drauf, jetzt ein rosa Bär und Herzchen“, sagt Katja Fuhrmann und kann sich ein breites Grinsen nicht verkneifen. Wenn es dem Erfolg zuträglich ist, kann man fußmodisch auch mal eigenartige Wege einschlagen. Und erfolgreich wollen die beiden Dresdnerinnen sein, die sowohl in Trakai als auch in Rotterdam mit einem noch ungetauften, weil vom Bootsbauer Empacher geleasten Wasserfahrzeug unterwegs sind. „Ich denke, dass wir es noch einmal aufs Treppchen schaffen können“, sagt Rübling. Ihre Partnerin nickt. Katja und Katja, könnte passen.