Von Marleen Hollenbach
Oberlichtenau. Es summt und brummt. Das Geräusch wird lauter. Einige Bienen heben ab, kreisen um ihren Bienenstock, andere kriechen über den Boden. Die Insekten krabbeln an der Wabe. Sie sitzen auf der Hand von Renate Reppe, auf ihrem Arm, an ihrem Hals. Die Imkerin aus Oberlichtenau steht vor dem Holzkasten. Ohne Schutzkleidung, ohne Maske. Stattdessen trägt sie ein ärmelfreies Shirt und kurze Hosen. Dabei hat sie es mit 50 000 Bienen zu tun, die alle ihre Königin verteidigen wollen.
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Ein guter Grund, nervös zu sein. Doch die 66-Jährige hat keine Angst. „Wenn ich mich nicht hektisch bewege, passiert mir nichts“, sagt sie. Die Luft riecht nach Rauch. Reppe hebt den Smoker an, eine qualmende Metalldose, in der Holzbrösel brennen. Dann nebelt sie die Waben ein. „Die Bienen denken jetzt, dass es ein Feuer gibt, laufen zu ihrem Honig und ich kann in Ruhe arbeiten“, sagt sie. Und Arbeit gibt es genug. Für die Imker hat die stressigste Zeit des Jahres begonnen. Die Schwarmzeit. Das heißt, die Bienen wollen sich teilen. Die einen fliegen mit der neuen Königin hinaus, die anderen bleiben und ziehen sich eine neue Anführerin heran. Eine heikle Sache. Wenn die Imker jetzt nicht aufpassen, ist das halbe Volk weg. Einmal in der Woche muss Reppe deshalb alle Bienenstöcke überprüfen. Fünf gibt es in ihrem Garten. Ihr Mann hat noch einmal 18 Völker in einem Bienenhaus versammelt.
Kräfte sammeln
Mit einem Spachtel öffnet sie den Deckel. Der Bienenstock besteht aus Holzkästen, in denen die Waben aufgereiht sind. Sie hebt den obersten Kasten hinunter. Die Imkerin stöhnt. „Wenn der Kasten voll Honig ist, kann ich ihn allein nicht mehr bewegen“, sagt sie. Noch sind die Bienen ruhig. Reppe schaut sich jede Wabe an. Was sie sucht? Belege dafür, dass die Bienen schwärmen wollen. Oder, noch besser, Indizien, die dagegen sprechen.
So kommt der Honig ins Glas:
Einmal waren die Bienen schon weg. Damals meldete sich ein Nachbar. Er hatte den riesigen Schwarm gesehen. Die Imkerin machte sich auf die Suche, fand ihre Insekten hoch oben auf einer Tanne. „Mein Mann musste mit einer Leiter hochklettern“, erinnert sie sich. Dass sie ihre Bienen noch finden konnte, war Glück. Wenn die Insekten schwärmen, bleiben sie kurz in der Nähe ihres Stockes. Sie sammeln Kräfte, bevor sie ihre Reise antreten. „Die Bienen fliegen täglich bis zu zehn Kilometer weit. Wir haben dann keine Chance mehr“, erklärt die 66-Jährige.
Das soll jetzt nicht wieder passieren. Deshalb schaut Reppe nach, ob sich Schwarmzellen gebildet haben. So nennt der Imker die Lücken in der Wabe, aus denen die neuen Königinnen schlüpfen. Nach acht Tagen haben diese Zellen einen Deckel drauf. Das heißt, ein Ei oder eine Larve liegt darin. Das heißt aber auch, die Gefahr ist groß, dass die Bienen ihren Stock verlassen. Reppe dreht die Wabe hin und her. „Solche Zellen gibt es hier zum Glück nicht“, sagt sie. Um dieses Volk muss sie sich nicht sorgen. Und die Ernte lässt auch nicht mehr lange auf sich warten. Rund 30 Kilogramm holen sie und ihr Mann aus einem Bienenstock. Den fertigen Honig füllen sie in kleine Gläser. Die beiden teilen ihr Hobby. Reppe ist sich sicher, dass die gemeinsame Leidenschaft beide zusammenschweißt. „Wir wüssten doch gar nicht mehr, was wir uns erzählen sollen“, sagt sie. Aber es gibt auch Grenzen. Jeder hat sein Volk, ist dafür verantwortlich. Das sei wichtig, weil jeder Imker ein bisschen anders arbeite.
Viele Feinde
Renate Reppe ist ein echter Bienen-Profi. Das war nicht immer so. Ihr Mann brachte die fleißigen Insekten mit. Als er nach der Wende arbeitslos wurde, kaufte er sich zwei Wanderwagen. Kurze Zeit später bekam er wieder einen Job. Als Fernfahrer war er viel unterwegs. „Und ich hatte die Bienen am Hals“, sagt die Imkerin. Aus der Skepsis wurde Begeisterung. Mittlerweile engagiert sich Reppe im Imkerverein, gibt ihr Wissen gern an junge Leute weiter. „Es gibt ja Dörfer, in denen es gar keine Imker mehr gibt. Dabei ist das doch so eine schöne Beschäftigung, sagt sie. Und wer nicht mehr als fünf Völker hat, könne die Arbeit leicht nebenbei erledigen.
Der nächste Stock ist dran. Wieder nimmt Reppe den Smoker zur Hand, wieder summt es, wieder krabbeln die Bienen. Der Honig läuft ihr über die Finger. „Bei Imkern klebt immer alles“, sagt sie und lacht. Aber nur kurz. Allmählich wird sie doch nervös. „Ich finde keine Eier“, sagt sie. Auf ihrer Stirn bilden sich Sorgenfalten.
Sorgen macht sich Reppe öfter. Nämlich dann, wenn sie an ihre Umwelt denkt. „Imker haben viele Feinde“, meint sie. Zum Beispiel die Schädlingsbekämpfer auf den Feldern. Die töten ihre Bienen. Außerdem finden die Insekten an den Feldrändern keine Nahrung mehr. Auch nicht in den gepflegten Gärten. Deshalb darf bei Reppe fast alles wachsen. Zum Beispiel Mohn oder auch Brennnessel. Eine Besucherin hat sich darüber einmal lustig gemacht. Das ist der Imkerin egal. „Die Brennnessel hat doch so schön geblüht“, sagt sie nur.
Und was ist mit dem Bienenstock? Renate Reppe hat einen Verdacht. Die Königin könnte mit dem Eierlegen aufgehört haben, weil sie ausschwärmen will. Reppe wird den Bienenstock weiter kontrollieren. Spätestens wieder in zwei Tagen.
Renate Reppe verkauft ihren Honig in Oberlichtenau, Berglehne 17. Tel.: 035955 43135.