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Die blaue Dame in dem verfallenden Schloss

Seit 1999 steht das ehemalige Herrenhaus in Naundorf leer. Die Erinnerung ist hier noch lebendig. Aber die Zukunft sieht düster aus.

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© Egbert Kamprath

Von Franz Herz

Naundorf. Ellen Felicitas Reichardt ist die Nichte des letzten Besitzers von Schloss Naundorf bei Schmiedeberg vor der Enteignung 1945. Sie hat vor wenigen Tagen zu einem Kurzurlaub das Osterzgebirge besucht. Dabei hat sie den früheren Familienbesitz angesehen und ihrer Tochter Nadja sowie ihren Enkeln Rodja Mathias und Lukas gezeigt.

In Naundorf hat sich die Familie Reichardt mit Maik Biber, dem Vorsitzenden des Naundorfer Heimatvereins Ottos Eck, sowie mit Peter Hofmann, dem Ortsvorsteher von Schmiedeberg, getroffen. Biber hat sich von dem Treffen etwas erwartet. Im Schlosspark, der heute städtisches Eigentum ist und vom Heimatverein gepflegt wird, stehen einige Sandsteinsockel, von denen niemand weiß, was früher darauf stand. Aber auch Ellen Felicitas Reichardt konnte ihm dabei nicht weiterhelfen. Sie war zu Kriegsende ein sechsjähriges Mädchen. Da reichte die Erinnerung nicht weit genug. Vielleicht waren die Sockel auch damals schon leer.

Begeistert war Ellen Felicitas Reichardt von Ottos Eck, wie Maik Biber berichtet. Der Heimatverein hat diesen Aussichtspavillon in den letzten Jahren restauriert. Und er sieht heute besser aus, als es die Besucherin in ihrer Erinnerung aus den 1940er-Jahren hat.

Wenig Glanz ist übrig geblieben

Anders war hingegen der Eindruck im Schloss selbst. 1999 ist das Pflegeheim dort ausgezogen und seitdem hat sich dort wenig getan. Die Fliesen an den Wänden und einzelne Reste der damaligen Einrichtung erinnern noch an den Heimbetrieb. Ansonsten nagt der Zahn der Zeit an dem Gebäude. Ellen Felicitas Reichardt hat ihrer Familie die Gemächer gezeigt, wo sie als Kind gespielt und gelebt hat und wo der damalige Schlossherr Oscar Bierling seine Räume hatte. Von dem früheren Glanz ist heute nur noch etwas zu erahnen.

Nach der Enteignung 1945 musste die Eigentümerfamilie dort ausziehen und wurde erst in einer Wohnung auf dem Bauverein in Schmiedeberg untergebracht. In Schmiedeberg ging Frau Reichardt dann zur Schule, ehe sie 1947 den Ort verließ. Spätere Lebensstationen waren Berlin, Dresden und Gießen. Sie spielte auch in verschiedenen Filmen mit und verfasste Bücher, die unter anderem auch Geschehnisse aus Schmiedeberg aufgreifen. In ihrem Buch „Reiseglut“ spielt Naundorf eine Rolle. Neu erschienen ist „Ohne Gott und ohne Konto“, das unter anderem in Dresden spielt. Heute lebt sie in Berlin und auf Usedom, wo sie als Astrologin arbeitet.

Verfall des Schlosses schreitet voran

Der Besuch der alten Dame hatte rein privaten Charakter. Bedeutender könnte für das Schloss Naundorf ein anderer Besuch sein. Die Eigentümer, zwei Immobilienunternehmer aus Südfrankreich, haben es sich vor wenigen Wochen wieder einmal angesehen, wie Biber berichtet. Die Franzosen haben das historische Gebäude 2004 bei einer Versteigerung in Dresden für 56 000 Euro erworben, aber nie selbst genutzt. Wenig später boten sie das Gebäude auch wieder auf dem Immobilienmarkt an, jedoch bis heute ohne Erfolg. Um das Schloss vor dem Ruin zu retten, müsste dort ein neuer Eigentümer ordentlich Geld investieren. Die Chancen darauf sinken zusehends, je mehr der Verfall voranschreitet.