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Die Dresdner Brückenbauer

Vorurteile und rechte Sprüche: Rassismus im Alltag ist weit verbreitet. In Dresden bilden Caritas und Volkshochschule erstmals sogenannte Brückenbauer aus. Die suchen gezielt den Dialog.

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© dpa

Clara Neubert

Dresden. Ganz offen über heikle Themen wie Asylpolitik zu sprechen - für viele ein Tabu. Jan Helbig allerdings möchte genau das lernen. „Mit Menschen anderer politischer Auffassung zu diskutieren, das macht kaum jemand. Dabei müssen wir genau da am Ball bleiben, um Extremismus entgegenzutreten“, sagt er. Helbig ist Uhrmacher, Vater von zwei Kindern und arbeitet ehrenamtlich in der Flüchtlingshilfe. Am Wochenende setzt sich der 30-Jährige neuerdings auch in Kurse der Volkshochschule, um zum Brückenbauer ausgebildet zu werden.

Seit Mitte Mai lernen Helbig und zwei weitere Freiwillige bei dem kostenfreien Pilotprojekt „Brückenbauer Integration“ von Caritas und Volkshochschule Dresden, Brücken zu schlagen: verbal und ideell, zwischen neuen und alten Nachbarn. „Das Projekt verfolgt das Ziel, fremdenfeindliche Atmosphäre und Vorurteile im Dialog und durch Begegnung von Alteingesessenen und Neuankommenden abzubauen“, so Janice Biebas-Richter von der Volkshochschule Dresden.

In einer theoretischen „Mini-Ausbildung“ an mehreren Nachmittagen geht es um Themen wie Asylrecht, Islam und Argumentationshilfen gegen rechtsextreme Parolen. Um das auch praktisch umzusetzen, steht auch Besuch einer Dialog-Veranstaltung der Caritas auf dem Stundenplan. Nach ihrem Kurs sollen die Freiwilligen dann selbstständig aktiv werden und Vorurteile aufklären - bei Seniorentreffs, in Schulen oder Kirchengemeinden.

„Das Thema Flüchtlinge ist von rechts besetzt“, sagt Karsten Dietze von der Caritas. „Da möchten wir einen Gegenakzent setzen und falschen Informationen verlässliche entgegensetzen“. In keinem anderen Bundesland fanden laut der aktuellen Studie „Sachsen rechts unten“ vom Landesbüro der Friedrich-Ebert-Stiftung und dem Kulturbüro Sachsen so viele asylfeindliche Demonstrationen statt wie in Sachsen. Knapp 600 waren es demnach allein im Jahr 2015, mehr als 200 wurden von organisierten Neonazis angemeldet.

Auch Helbig erlebt immer wieder rassistische Äußerungen im Alltag - und wie sprachlos sie mitunter machen können. Er sieht das neue Ehrenamt daher als Herausforderung. „Ich finde auch als Vater, dass es die Aufgabe unserer Generation ist, sich darum zu kümmern, dass die Gesellschaft weiterhin gut funktioniert. Und sich zumindest alle akzeptieren“, so Helbig.

Um diesen Austausch erfolgreich zu gestalten, sollen die Begegnungen bewusst in kleinem Rahmen stattfinden. „Das Projekt klingt vielversprechend. Es könnte dazu beitragen, einen Raum für Diskussion zu schaffen, in dem Fragen gestellt und beantwortet werden“, sagt Eter Hachmann vom Ausländerrat Dresden.

Besonders wichtig ist den Veranstaltern dabei der persönliche Kontakt: Menschen mit Vorbehalten können ihre Fragen direkt an Geflüchtete stellen. Die Brückenbauer sollen moderieren - und außerdem sachliche Argumente liefern.

Mit Hauptamtlichen ist der Bedarf an Austausch allerdings nicht mehr abzudecken, sagt Karsten Dietze von der Caritas. Daher brauche es auch die ehrenamtlichen Helfer. Nachdem die erste Ausbildungsrunde nun ausläuft, suchen Caritas und Volkshochschule bereits nach neuen Brückenbauern. Im Oktober soll das Coaching weitergehen.

Jan Helbig, Brückenbauer der ersten Stunde, steht währenddessen schon kurz vor dem Start als Nachbarschafts-Moderator. Besonders achten möchte er bei seiner zukünftigen Aufgabe darauf, dass der Dialog nie abbricht. „Denn das Schlimmste was passieren kann ist immer noch Schweigen im Walde“, sagt er. (dpa)