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Die dritte Generation Ost macht Karriere

Beim Fall der Mauer waren sie Kinder, groß geworden im Osten, längst vertraut auch mit dem Westen. Sind sie die neuen 68er?

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© dpa

Von Thomas Lanig, Berlin

Die Täter schweigen, weil sie Angst haben, sagt Joachim Gauck. Und die Opfer schweigen, weil ihre Ohnmacht zu sprechen Schmerzen auslöst und Tränen. Der Bundespräsident hat junge Leute zur Diskussion ins Schloss Bellevue eingeladen, die „Dritte Generation Ostdeutschland“. Manche nennen sie die „Wendekinder“ – sie waren 1989 vielleicht fünf, zehn oder 15 Jahre alt. Fast 25 Jahre nach dem Fall der Mauer hat der Ex-Pastor aus dem Osten eine Botschaft für sie: Hört nicht auf zu fragen, lasst das Gespräch zwischen den Generationen nicht abreißen.

Die „3te Generation Ost“, so die selbstgewählte Schreibweise, versteht sich als Netzwerk derer, die zwar in der DDR geboren sind, aber im vereinigten Deutschland erwachsen wurden und dabei sind, Karriere zu machen. Auf 2,4 Millionen wird diese Generation beziffert. Auch in den USA sind sie bereits dabei, ein Netz zu knüpfen. „Transformations-Kompetenz“ nennen sie ihre  besonderen Fähigkeiten. Johannes Staemmler aus Dresden ist einer der Mitbegründer des Netzwerks. 1989 war er sieben Jahre alt. „Da ist doch noch was von DDR-Prägung in mir drin. Das finde ich inzwischen auch ganz toll.“

Zum Netzwerk gehört auch die Westdeutsche Stephanie Maiwald. Sie hat ab 1999 in Frankfurt/Oder studiert, ihre Freunde in Frankfurt/Main hätten damals gar nicht verstanden, was sie nach „Dunkeldeutschland“ zog. Sie hält es für „politisch überkorrekt“, die bestehenden Unterschiede zwischen Ost und West nicht zu thematisieren.

„Wir haben gedacht, das sei eine Leistungsgesellschaft“, beschreibt die Autorin Sabine Rennefanz den Blick von Osten nach Westen. Dabei seien Beziehungen und Netzwerke im Westen immer besonders wichtig. „Wenn es einer ins Schloss Bellevue oder ins Kanzleramt schafft, wird das als Trendwende gefeiert. Ist es aber nicht.“ Vielleicht seien die „Wendekinder“ besonders gut im Improvisieren, sagt sie. „Wir können uns schon weiter durchwursteln.“ Sind sie also eine neue 68er Generation, wie manchmal geschrieben wird?

Der Bundespräsident hört aufmerksam zu. Gerade hat ein Schüler, Jahrgang 1997, die Gegensätze zwischen Ost und West für beendet erklärt. „Für uns ist das doch kein Thema mehr“, sagt er. Doch Gauck will nicht an das Verschwinden dieser Unterschiede glauben. „Es gibt diese Differenzen. So what“, sagt der 73-Jährige. (dpa)