Von Marleen Hollenbach
Doberschau-Gaußig. Getreidehalme lieben den Sommer. Mehr als einen Meter hoch sind sie gewachsen. Immer der Sonne entgegen. Heike Löhnert nimmt einen Halm in die Hand, dreht ihn hin und her. „Der sieht gut aus“, sagt sie. Ihr Mann beugt sich zu ihr rüber. Auch er nickt zufrieden. Die beiden kennen sich mit Getreide aus, besitzen einen landwirtschaftlichen Betrieb in Zockau. Doch die Pflanzen, die hier wachsen, sind auch für die erfahrenen Landwirte Neuland. Erstmals haben sie den Champagnerroggen angebaut, nebenan wächst Emmer und ein Feld weiter Dinkel. Das sind alles alte Getreidesorten. Ein Experiment für die Löhnerts und ein Schritt in die Zukunft.
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Im September haben sie das Getreide gesät. Nun schauen sie stolz auf das Ergebnis. Das Frühjahr war nass. Beste Bedingungen. Doch dann kam der Hagel. Einige Halme sind abgeknickt. Das ist schade, aber noch keine Katastrophe. In wenigen Wochen können Löhnerts erstmals ernten. Und dann ihr Konzept weiter ausbauen. Schon im vergangenen August eröffneten sie ihren Hofladen neu. Seither bieten sie die alten Getreidesorten an – als Körner oder gemahlen. Warum? „Weil die alten Getreidesorten aromatischer schmecken. Außerdem ist das Mehl besser verträglich“, sagt Heike Löhnert. Sie muss es wissen. Die 43-Jährige verträgt selbst keinen Weizen. Und sie weiß auch, wie schwierig es ist, an Alternativen zu kommen. Nudeln aus Dinkel zum Beispiel. Die bestellte sie früher im Internet oder fuhr dafür von Bioladen zu Bioladen. Wenn sie künftig etwas braucht, muss sie nur in ihren Hofladen gehen. Dort gibt es demnächst Körner und Mehl vom eigenen Getreide zu kaufen. Noch einmal schauen die Löhnerts über das Feld. Mehr als Warten können sie nicht.
Schälmaschine ist nagelneu
Ortswechsel: Den Hof der Familie erreicht man durch ein grünes Tor. Die Scheune befindet sich rechts. Und dort, gut versteckt hinter einer Holztür, haben die Landwirte ihre neueste Errungenschaft aufgestellt. Eine Schälmaschine. Die sieht aus wie zu Urgroßvaters Zeiten, ist aber neu. Mehrere Tausend Euro hat das Gerät gekostet, das Löhnerts extra aus Österreich geholt haben. Und es wird dringend gebraucht. Zwar haben alte Getreidesorten viele Vorteile. Es gibt aber einen Haken: Die Körner können nicht ohne Weiteres gemahlen werden. Erst muss die Schale ab.
Gut für die Gesundheit und die Region
Matthias Löhnert übernimmt diese Aufgabe. Der Landwirt wirft das Ungetüm an. Es rattert. Löhnert hebt den Eimer mit den Dinkelkörnern hoch. Dann klettert er auf eine kleine Leiter und leert den Eimer über einem Trichter aus. Die Körner verschwinden im Inneren der Maschine. Der Dinkel steckt nun zwischen einer Walze und einem Sieb. Das Korn wird rausgedrückt. Zurück bleibt die Spelze, ein Blatt, das das Korn umgeben hat und bei der weiteren Verarbeitung stören würde. Die Stelzen werden abgesaugt. Sie verschwinden in einer Tüte. Doch damit ist noch nicht Schluss. Der Dinkel fällt auf ein weiteres Sieb. Die Körner hüpfen darauf herum, gerade so, als führten sie ein Tänzchen auf. Dabei fallen die Fertigen in eine Schüssel. Körner, die nicht richtig geschält sind, landen in einem Eimer. Den kann Löhnert dann wieder in den Trichter schütten. So lange, bis das letzte Korn geschält ist.
Arbeit geht auf die Ohren
Anstrengend ist die Arbeit nicht. Aber sie geht auf die Ohren. Ein Kopfhörer liegt deshalb auf einem Regal. „Damit kann man Radio hören“, sagt Matthias Löhnert. Nach der Ernte wird er noch viele Stunden an der Maschine verbringen. Bis zu einer Tonne schafft das Gerät an einem Tag. Wie oft es in der Woche gebraucht wird, wissen die Löhnerts noch nicht. „Das wird sich zeigen“, sagt der Landwirt nur. Er klopf gegen den Trichter, damit die Körner besser durchrutschen, stellt an der Seite die Geschwindigkeit ein, damit nicht zu viele Körner auf einmal auf der Walze landen.
Heike Löhnert hat derweil den Hofladen aufgesucht. Kühl ist es in der Halle. „Wirklich angenehm. Aber im Winter ist es sehr kalt“, sagt sie. Gemüse von Bauern aus der Region liegt hier in den Regalen, genauso wie Brot vom Bäcker nebenan. Doch dafür hat Heike Löhnert jetzt keinen Blick übrig. Zielsicher steuert sie eine Ecke des Raumes an, bleibt stehen. „Hier ist Platz für unsere eigenen Produkte“, sagt sie stolz. An dieser Stelle sollen einmal Körner und Mehl aus eigener Ernte präsentiert werden.
Matthias Löhnert ist immer noch mit der Maschine in der Scheune beschäftigt. Zwar arbeitet das Gerät für ihn, doch weggehen kann er trotzdem nicht. Schon allein, weil immer nachgeschüttet werden muss. Löhnert ist Profi. Der gelernte Landwirt hat den Hof von seinem Vater übernommen. Fast zehn Jahre ist das her. Bereut hat er es nicht. Nun hat auch sein Sohn eine Lehre in diesem Bereich begonnen. Die Tradition wird fortgesetzt. Noch einmal drückt Löhnert einen Knopf. Diesmal den Roten. Damit schaltet er das Gerät aus. Für heute ist Ruhe in der Scheune.
Familie Löhnert verkauft Getreideprodukte im Hofladen in Zockau, Am Anger 1a. Der Laden hat Mittwoch und Freitag 12 bis 18 Uhr und Donnerstag 12 bis 20 Uhr geöffnet.