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Die Explosion selbst herbeigeführt?

Nach dem Unglück in Neukirch steht der Hausbewohner unter Verdacht. Die Polizei konnte ihn noch nicht befragen.

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© Toni Lehder

Von Ingolf Reinsch

Neukirch. Am Tag nach dem Unglück ist es wieder ruhig auf dem Neukircher Baumschulenweg. Es gibt ein paar Gaffer, die auf der B 98 betont langsam fahren oder sogar anhalten, um in die schmale Gasse zu schauen, wo am Donnerstagnachmittag ein Wohnhaus durch eine Explosion stark beschädigt wurde. Ein Bauzaun sperrt das betreffende Grundstück ab. Ein Schild warnt: „Achtung, Einsturzgefahr! Betreten für Unbefugte verboten.“ So etwas hat man nicht auf Lager. Die Gemeindeverwaltung stellte das Schild auf die Schnelle am Donnerstagabend her. An der Zufahrt zum Grundstück steht am Freitagvormittag ein Streifenwagen der Polizei. Solange die Spuren nicht gesichert sind und feststeht, warum es zu der Explosion kam, gilt der Unglücksort als Tatort. Deshalb sichern ihn Polizisten seit Donnerstagabend.

Die Bilder von der Explosion

Gegen 9.30 Uhr treffen die Kriminaltechniker und der Brandursachenermittler ein. Am Freitagnachmittag teilt dann die Polizei mit: Die Ermittlungen der Kriminalpolizei haben neue Erkenntnisse zur Ursache des Geschehens erbracht. So hatte sich mit hoher Wahrscheinlichkeit im Haus ein Gas-Luft-Gemisch entzündet. „Es ist derzeit nicht auszuschließen, dass der 29-jährige Bewohner die Explosion selbst herbeigeführt haben könnte. Hierzu wird jedoch erst Klarheit bestehen, wenn der schwer verletzte Mann von der Kriminalpolizei befragt werden konnte“, sagte Polizeisprecher Thomas Knaup. Der 29-Jährige war nach der Explosion von Feuerwehrleuten im Keller des Hauses gefunden und mit einem Rettungshubschrauber in eine Spezialklinik geflogen worden. Durch die herrschenden Kräfte wurde nach den bisherigen polizeilichen Ermittlungen augenscheinlich das Fundament des Einfamilienhauses auseinandergedrückt, was zum Einsturz einer massiven Wand im Erdgeschoss führte. Ob das Haus erhalten werden kann oder abgerissen werden muss, war am Freitag noch unklar. „Die Ermittlungen dauern an“, erklärte der Polizeisprecher.

In einer mehrstündigen Aktion sicherten Mitarbeiter des Technischen Hilfswerkes (THW) vom Donnerstagabend bis spät in die Nacht das Gebäude notdürftig. Wie es am Freitag in Neukirch hieß, sei dies geschehen, um den Ermittlern den Zutritt zu ermöglichen. Trotzdem bleibt es lebensgefährlich, das Haus zu betreten. Der Giebel wurde durch Holzbalken und ein Baugerüst gestützt. Unter der zerstörten Seitenwand stützen jetzt dicke Holzbalken das Obergeschoss und das Dach. Das Onlineportal Lausitznews schreibt unter Berufung auf Informationen vor Ort, die Explosion im Keller sei so heftig gewesen, dass dieser komplett zerstört wurde. Die Bodenplatte wurde einen halben Meter nach oben gedrückt, sodass man bereits von außen in den Keller schauen könne. Im Keller soll sich auch der Erdgasanschluss befinden. Die Anschlüsse für Gas und Strom wurden stillgelegt, ebenso der Wasseranschluss. Die Freileitung für den Strom war infolge der Explosion gekappt worden.

Einsatz unter Lebensgefahr
Auch für die Feuerwehrleute war es am Donnerstag lebensgefährlich, das Haus zu betreten. Viel Zeit habe er nicht gehabt zum Überlegen, sagte Neukirchs kommissarischer Wehrleiter Jürgen Maiwald, der den Einsatz leitete. Sicher war nur, dass sich im Haus ein Mensch befindet, der gerettet werden muss. Sekundenschnell entschied der Einsatzleiter, dass zwei Trupps von je zwei Feuerwehrleuten ins Haus gehen. „Es war extrem gefährlich“, sagte Jürgen Maiwald am Freitag der SZ. Ein Trupp gelangte über die Steckleiter und ein Fenster ins Obergeschoss, der andere durch die Haustür. Glück im Unglück: Eine Verwandte der Familie wohnt gleich nebenan und hat einen Haustürschlüssel.

„Bis in die zehnte Stunde“ habe es am Donnerstag auf der sonst ruhigen Straße Bewegung geben, sagen Nachbarn am Freitag. Traurig schauen sie zum Giebelfenster mit der zerborstenen Scheibe im Obergeschoss. „Das war mal sein Zimmer“, sagen sie. Damals, als der jetzt 29-Jährige noch zusammen mit seinem Bruder und seiner Großmutter das zu DDR-Zeiten errichtete Einfamilienhaus bewohnte. Später, als sein Bruder ausgezogen war, habe er sich Räume ausgebaut. Dass ihr Nachbar die Explosion selbst herbeigeführt haben könnte, glauben sie nicht.

Nach SZ-Informationen erlitt der Mann, der bei einem Discounter außerhalb von Neukirch arbeitet, schwere Brandverletzungen. „Zum Gesundheitszustand des Mannes liegen uns keine aktuellen Informationen vor“, sagte Thomas Knaup am Freitag auf SZ-Anfrage.

Erst seit kurzer Zeit bewohnt der Neukircher das gepflegte Eigenheim allein. Seine Großmutter wird nach einer schweren OP jetzt in einem Pflegeheim betreut. Nach SZ-Informationen wurde sie ausgerechnet am Tag der Explosion 83 Jahre alt.