Merken

Die Heilkräuterfee

Kosmetik aus Beinwell verkauft die Ringenhainerin Saskia Riethmüller auf Naturmärkten. Selbst gemixt aus selbstgezogenen Pflanzen.

Teilen
Folgen
NEU!
© Steffen Unger

Von Constanze Knappe

Etwas Künstlerisches, so hat sich Saskia Riethmüller eigentlich ihre berufliche Zukunft vorgestellt. Hätte der diplomierten Designerin jemand vorausgesagt, sie würde einmal selber Cremes und Tinkturen zusammenrühren, darauf hätte sie nichts gegeben. Und doch verdient sie seit acht Jahren damit ihren Lebensunterhalt. Mit Heilkräuterkosmetik auf Basis der heimischen Beinwellpflanze. Sie fühle sich „total gut“ bei dem, was sie macht, erklärt die 42-Jährige. Produktgestaltung hat sie an der Hochschule für Technik und Wirtschaft in Dresden studiert.

Die Beinwellpflanzen baut Saskia Riethmüller selbst an.
Die Beinwellpflanzen baut Saskia Riethmüller selbst an. © Steffen Unger

Saskia Riethmüller, die in Ringenhain aufgewachsen ist, redet nicht lange drumherum. „Die wenigsten finden nach diesem Studium sofort einen Job, etwa in einem Architekturbüro“, sagt sie. Vielleicht in der Automobilindustrie. Doch dafür hätte sie in den Westen gehen müssen. Mit Kind wollte sie das nicht. Sie arbeitete in Theaterwerkstätten, auch in einem Klamottenladen, sagt sie. Gekellnert habe sie und noch manch anderes gemacht. Doch irgendwie sei sie bei alledem immer unzufrieden gewesen. Davon kann jetzt keine Rede mehr sein.

Zu Hause experimentiert

Bei einer Kräuterwanderung um Berlin entdeckte die Oma ihres Sohnes einst die Beinwellpflanze. Von Hause aus Chemikerin experimentierte Christine Schramm damit herum. Ihre Proben verschenkte sie. Die kamen so gut an, dass sie eine kleine Firma für Beinwellprodukte gründete. Auf einem Tischchen wurden damals beim Elbhangfest die ersten Döschen verkauft, erzählt Saskia Riethmüller. Gelegentlich half sie aus. Als es Christine Schramm 2008 gesundheitlich nicht mehr so gut ging, fragte sie, ob Saskia Riethmüller die Firma Biowell übernehmen würde. Anfangs war sie nicht begeistert. „Das war nicht meins, es hatte doch so gar nichts mit Kunst zu tun“, schildert sie ihre damaligen Bedenken. Aus der Erfahrung heraus sagt sie jetzt, dass es das sehr wohl hat. Ihre künstlerische Ader kann sie ausleben beim Aufbau ihres Marktstandes und bei der Gestaltung der Etiketten zum Beispiel. Und dann stand da noch die Frage der Selbstständigkeit. Ein halbes Jahr nahm sie sich Bedenkzeit. Heute sagt sie: „Es ist toll, sein eigener Chef zu sein.“ Dazu käme der Mix aus Garten, Labor, Markt und Büro. „Das hat nicht jeder.“

Sie hat sich erst mal schlau gemacht über die Beinwellpflanze. Die gilt seit 2 000 Jahren als eine „Königin der Heilpflanzen“, wurde durch die Ärzte der Antike wie Hippokrates, im Mittelalter von Hildegard von Bingen und in der Neuzeit von Sebastian Kneipp geschätzt und eingesetzt, um nur einige zu nennen. Verwendet wird Beinwell, das auch Wallwurz, Beinheil oder Schmerzwurz genannt wird, bei Erkrankungen der Knochen und Gelenke. Es hilft auch bei der Wundheilung und bei Hautproblemen. Saskia Riethmüller baut die Pflanzen selber an. Auf einem Feld oberhalb der alten Fabrik in Ringenhain und an einem zweiten Standort in Volkersdorf. Drei Jahre müssen die Pflanzen wachsen.

Von Berlin nach Ringenhain

„Es ist wie einkochen“, zitiert Saskia Riethmüller Christine Schramm, die ihr eine gute Lehrerin war und noch immer ein Auge drauf hat. Dass alle Rezepturen bereits vorhanden waren, sei ein weiterer Vorteil gewesen. Zunächst befand sich die Firma Biowell noch in Berlin. 2008 richtete Saskia Riethmüller ihr Labor in Ringenhain in der ehemaligen Tuchfabrik Holtsch & Riethmüller ein, die 1972 enteignet wurde. Danach befand sich ein Teilbetrieb der Damastweberei Oberoderwitz in dem Gebäude. Das halbe Dorf habe dort gearbeitet, erzählt Saskia Riethmüller, die in Ringenhain und Neukirch zur Schule ging und dann das Gymnasium in Bischofswerda besuchte. Ihr Bruder betreibt in der alten Fabrik eine Maschinenbaufirma. Schritt für Schritt wollen die Geschwister dem Gelände wieder etwas Leben einhauchen. Sie ging mit dem Labor auch dorthin, weil es günstiger als in Dresden ist. Zudem bekam sie eine Förderung für „Frauen auf dem Lande“.

Aus den Blättern der Beinwellpflanze werden die Wirkstoffe in Mandelöl extrahiert, die aus der Wurzel in Wollfett. Es braucht einige Tage, um daraus Öl ziehen zu können. Einmal die Woche ist die Dresdnerin in ihrem Labor in Ringenhain zugange, um die Pflanzen anzusetzen, die Mixturen zu rühren und abzufüllen. Das alles sei ziemlich unspektakulär, sagt Saskia Riethmüller und füllt eine Reihe Döschen mit Mundwinkelsalbe ab. Die müssen anschließend noch etikettiert werden. An den anderen Tagen arbeitet sie auf dem Feld oder kümmert sich um den Versand. In ihrem Onlineshop kaufen private Kunden ebenso ein wie Apotheken oder ein Pharmagroßhändler. Sie liefert deutschlandweit, ebenso nach Österreich und in die Schweiz. Es sei jeden Tag spannend, ob und wie viel Bestellungen eingehen, sagt sie. Dass sie viel über Empfehlungen der Kunden untereinander verkauft, motiviere sie zusätzlich.

Alles in allem hat sie 15 verschiedene Produkte im Sortiment. Selbstverständlich alle ohne Konservierungsstoffe. „Die Beinwellpflanze hält die Mixturen selber stabil“, erklärt Saskia Riethmüller. Ohne Düfte, Mineralöle, Parabene und Alkohol sind Cremes und Tinkturen auch für Allergiker gut verträglich. Regelmäßig muss Saskia Riethmüller ihre handgefertigte Kosmetik, die zwei Jahre verwendbar ist, von einem unabhängigen Labor prüfen lassen. Zu haben sind die Produkte auf Messen und Veranstaltungen wie der LebensArt in Großharthau, den Leinentagen in Rammenau, dem Naturmarkt in Wartha und anderen. Auch wenn nicht jeder Markt läuft, weil das Wetter schlecht ist oder sie mal eine Panne hat, sie mag den direkten Kontakt zu den Kunden. Wenn es irgendwann der Umsatz hergibt, würde sie gern jemanden einstellen. Damit sie mehr Zeit für ihren jetzt 12-jährigen Sohn hat und nicht nur für 14 Tage Urlaub im Jahr.