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Die Holländer kommen

Für Konzerne aus dem Nachbarland ist die Region attraktiv. Die Investitionsfreude hat einfache Gründe.

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© Sebastian Schultz

Von Birgit Ulbricht und Stefan Lehmann

Landkreis. Ein knappes Jahr ist es her, dass bei Rime angestoßen werden konnte. Mit 200 Gästen weihte der Blechverarbeiter seine neue Produktionshalle in Riesa ein. Die weiteste Anreise zu den Feierlichkeiten dürfte wohl der Geschäftsführer gehabt haben: Seit 2007 gehört Rime zur niederländischen Tollenaar-Gruppe.

Henry de Jong möchte in Tiefenau ein Ferienresort aufbauen.
Henry de Jong möchte in Tiefenau ein Ferienresort aufbauen. © Alexander Schröter
Vincent de Bok (l.) und Huub van de Vrande sind die neuen BuS-Vorstände.
Vincent de Bok (l.) und Huub van de Vrande sind die neuen BuS-Vorstände. © Sebastian Schultz

Rime-Geschäftsführer Frans Tollenaar ist dabei einer von vielen niederländischen Unternehmern, die in der Region investieren. Jüngstes und prominentestes Beispiel ist sicher BuS Elektronik. Seit September 2014 gehört der Hersteller von Elektronikbauteilen zum Konzern Neways. Hinzu kommen verschiedene private Investoren, die in der Region Immobilien kaufen. Etwa Henry de Jong, der auf dem Rittergut Tiefenau ein Ferienresort errichten möchte. Auch die Dorfdisco „Crazy Eddy“ in Nauwalde wurde im vergangenen Jahr an ein Pärchen aus Holland verkauft, das derzeit in Chemnitz lebt. – Dass der Landkreis besonders bei niederländischen Investoren hoch im Kurs steht, möchte Sascha Dienel so nicht bestätigen. Mit Feralpi in Riesa und PCM in Klipphausen seien beispielsweise auch zwei große italienische Unternehmen im Kreis aktiv, sagt der Geschäftsführer der Wirtschaftsregion Meißen. Auch österreichische Investoren gebe es. Grundsätzlich sei die Region ohnehin nicht so international aufgestellt wie die alten Bundesländer.

Hauptaugenmerk im Nordwesten

Die Deutsch-Niederländische Handelskammer (DNHK) registrierte bei ihrer letzten Datenerhebung 2013 – also vor der BuS-Übernahme – insgesamt sieben niederländische Tochterfirmen im Kreis, vom Großhändler Peak in Nossen bis zum Maschinenhersteller Busch in Coswig. „Generell ist Deutschland als größter Handelspartner für niederländische Unternehmen natürlich sehr wichtig“, betont DNHK-Sprecher Niels Koekoek. Das Hauptaugenmerk liege dabei zwar immer noch auf Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen – von den etwa 5 300 holländischen Tochterunternehmen in Deutschland sind mehr als die Hälfte dort angesiedelt. Doch das Interesse an den anderen Bundesländern werde größer, sagt Koekoek.

Die Investitionsfreude der niederländischen Firmen und Konzerne hat laut Rime-Geschäftsführer Frans Tollenaar einen relativ profanen Grund: „Niederländische Firmen investieren viel im Ausland und vor allem gern in Deutschland. Das liegt hauptsächlich daran, weil es in den Niederlanden nicht viel Platz gibt, um zu expandieren.“ Wie die Größe des Landes sei auch der Markt begrenzt. „Für ein produzierendes Unternehmen ist somit der Schritt nach Deutschland sehr wichtig.“ In seinem Fall sei die Entscheidung für den Kauf von Rime deshalb gefallen, weil die Firma bereits erfolgreich war und über sehr gute Fachkräfte verfügte. Erfolg und Wachstum seien nur möglich, wenn in der Region gut ausgebildete Mitarbeiter zu finden sind. Zudem habe es noch Platz gegeben, um die Firma zu vergrößern – wie es Anfang 2015 mit Einweihung der neuen Werkhalle geschehen ist.

Anlagen waren preiswert

Auch Agrarbetriebe sind in holländischer Hand: In Großenhain kaufte Marten Tigchelaar im Jahr 2011 die Schweinemastanlage Stroga von Giovanni Benelli, der nach der Wende das ehemalige Volksgut von der Treuhand erworben hatte. Rund ein Drittel des Sauenbestandes und ein Viertel der Mastschweine in Ostdeutschland sind in holländischer Hand. Die Größe der Betriebe im Osten rechnet sich, die Produktion eines Ferkels kostet hier rund fünf Euro weniger als in Holland. Die DDR-Anlagen waren zudem preiswert zu haben. Die Genossenschaften bekamen nach der Wende keine Kredite. Die Holländer müssen hier keine Produktionsrechte kaufen, das spart pro Sau etwa 350 Euro. Es gibt zudem immer noch Fördergeld. Die Gülleentsorgung ist wegen der größeren Ackerflächen auch kein Problem und das Futter preiswerter als in den Niederlanden. Ob das wiederum so bleibt, ist fraglich. Denn die Schweinewirtschaft wandert weiter nach Osten. Die Mast ist bereits jetzt günstiger als in Tschechien, Polen, Ungarn oder der Ukraine – hier kostet das Futter noch weniger.